9. August 2015 (a)
(Gottesdienst mit Bußcharakter)
Vorbemerkung: Für den 10. Sonntag nach Trinitatis, den sog. Israel-Sonntag, gab es bisher schon keine einheitlichen Textvorgaben, da in Württemberg die Perikopenordnung von 1978 weiter in Geltung ist, während die gottesdienstlichen Texte im Evangelischen Gottesdienstbuch von 1999 neu geordnet wurden. Auch werden im Rahmen der Perikopenreform zwei unterschiedlich akzentuierte Proprien vorgeschlagen. Hier wird der Entwurf zum 10. Sonntag nach Trinitatis (violett) mit den (bisherigen) Texten nach dem Württembergischen Perikopenbuch zugrunde gelegt, dabei wird stärker der Bußcharakter betont und insofern in die Trauer Israels über die Zerstörung des Tempels mit einstimmt. Zudem sei auf Predigthilfen und Materialien verwiesen, die von den verschiedenen Arbeitsgruppen zu diesem Gedenktag herausgegen wurden.
10. Sonntag nach Trinitatis (violett !) - Der Herr und sein Volk
Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat. (Ps 32,12)
ENTWURF A: Predigttext - Lukas 10,41-48 (I) Jesus und Jerusalem
ENTWURF B: (mit Perikopen zur Erprobung)
Predigtgottesdienst
Vorspiel
Eröffnung (Begrüßung)
Wir sind versammelt im Namen Gottes, der Himmel und Erde gemacht und Israel als sein erwähltes Volk berufen hat, der in Jesus von Nazareth, dem als Jude geborenen, gekreuzigten und auferstandenen Christus, Menschen aus allen Völkern der Welt zu sich ruft, der durch den Heiligen Geist Israel und die Kirche gemeinsam zu seinen Zeugen und zu Erben seiner Verheißung macht. (a) R: Amen.
Der 10. Sonntag nach Trinitatis wird in unserer evangelischen Kirche als "Israel-Sonntag" begangen. Er „fällt traditionsgemäß in die Nähe des jüdischen Gedenkens an die Zerstörung des zweiten Tempels [durch die Römer im Jahre 70] – im jüdischen Kalebder der 9. Aw. Mit diesem Datum verbinden sich in der jüdischen Tradition weitere Schicksalsdaten: der Beschluss Gottes, das Volk Israel vierzig Jahre lang in der Wüste zu lassen, die Zerstörung des ersten Tempels [durch Nebukadnezar], die [mittealterliche] Vertreibung der Juden aus England und Spanien. Die jüdischen Gottesdienste am 9. Aw sind voller Klage und voller trotzigem Festhalten an Gott.“ (b) Auch unser Gottesdienst heute soll von bestimmt sein von Klage und Buße, angesichts der Blindheit und Selbstgerechtigkeit von Christen dem Volk Israel gegenüber.
Lied zum Eingang: Wo Gott der Herr nicht bei uns hält (EG 297 in Auswahl)
Psalmgebet
Votum: Gedenke, HERR, an deine Gemeinde, die du vorzeiten erworben und dir zum Erbteil erlöst hast, an den Berg Zion, auf dem du wohntest. Richte doch deine Schritte zu dem, was so lange wüste liegt. Ps 74,1ff
Psalm 102 (EG 741) mit „Heiliger Herre Gott“ (EG 185.4) - Herr, höre mein Gebet
oder Klagegebet (wie unten)
oder Kyrie (wie im Anhang)
Tagesgebet
Beten wir in der Stille zu Gott, der uns Menschen gnädig sein will: - Stille –
Gott, du Heiliger Israels, du vergisst die Leiden deines Volkes nicht und wirst von seinen Peinigern Rechenschaft fordern. Vor dir können wir Versagen und Schuld der Kirche den Juden gegenüber nicht verbergen, noch die weit verbreitete Gleichgültigkeit am Geschick Israels leugnen. Wende dich uns in deiner Barmherzigkeit zu, vergib uns und stell uns deinem Volk in neuer Achtsamkeit zur Seite. (c)
oder
Ewiger Gott. Nach all dem Leid, das den Gliedern deines erwählten Volkes zugefügt worden ist, lässt du uns neu erfahren, dass deine Treue Christen und Juden verbindet. Erhalte uns dein Erbarmen und die Hoffnung auf dein Reich, in dem alle deine Kinder dich loben werden in Ewigkeit (d)
Schriftlesung
A (Epistel): Römer 11,25-32 (II) Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen
oder (Prophetie): Daniel 9,15-19 (VI Wü) Ach, Herr, sei gnädig
B (Prophetie): Klagelieder 5,1.11-22 (¶ VI) Bringe uns, HERR, zu dir zurück
oder (Prophetie): Jesaja 27,2-9 (¶ V) Zu der Zeit wird es heißen: Lieblicher Weinberg
oder (Epistel): Römer 11,17-24 (¶ I) Sieh die Güte und den Ernst Gottes
Antwortlied: Aus tiefer Not lasst uns zu Gott (¶ EG 144 in Auswahl)
Predigttext (Evangelium): Lukas 19,41-48) (I / ¶ III) Jesus weint über Jerusalem
Predigt
Besinnung (Musik oder Lied)
Bekenntnis (Klage- und Vertrauenspsalm)
In Stille verbinden wir uns mit Israel, gedenken voll Trauer der Zerstörung des Tempels, der Vertreibungen und all der Leiden des Volkes durch die Jahrhunderte:
- Stille -
Gott ist dennoch Israels Trost für alle, die reinen Herzens sind.
Im Vertrauen auf die Treue Gottes wagen wir zu sprechen:
Psalm 73 - ohne Doxologie - Dennoch bleibe ich stets an dir (EG 733)
Fürbitten
Barmherziger Gott. Wir bitten dich heute zuerst für dein Volk Israel, das dir die Treue gehalten hat: Gewähre ihm Frieden. Lass Juden überall auf der Welt in Ruhe und Sicherheit wohnen. Wehre dem Antisemitismus unter den Völkern. Bringe Bewegung in die verhärteten Fronten des Nahostkonflikts. Hilf nach Lösungen zu suchen, mit der alle Beteiligten zu leben bereit sind. Wir rufen zu dir:
R: Herr, erbarme dich.
Wir Christen gestehen vor dir ein, dass wir Mitschuld daran tragen, dass Juden in aller Welt bedrängt werden. Wir haben deinem Volk Israel viel zu verdanken, doch lange Zeit waren wir undankbar. Wir haben uns selbst als neues Gottesvolk bezeichnet als könne sich die Kirche an Israels Platz stellen. Wir haben uns Israels Schriften übernommen und dessen Zusagen und angeeignet, aber Israel selbst in seiner Erwählung haben wir vergessen. Wir rufen zu dir:
R: Herr, erbarme dich.
Du, Gott Israels und der Kirche, du bist ein lebendiger Gott. Vergib alle Überheblichkeit. Bringe neues Leben in die Beziehungen zwischen Christen und Juden. Lass uns einander so annehmen und ehren, wie wir geworden sind. Gib, dass dein Will in der Welt anerkannt wird und das es geschieht, dass 1uden und Christen ein Segen füreinander und für andere Werden. Wir rufen zu dir: (e)
R: Herr, erbarme dich.
oder
Lasst uns voll Hoffnung zu Gott beten:
R: Kyrie eleison.
Für Christen und Juden, dass sie sich begegnen und einander vertrauen können; dass Wunden und Verletzungen, die Christen Juden zugefügt haben, heilen; dass Schuld ernst genommen und nicht verdrängt wird - lasst uns zu Gott rufen:
R: Kyrie eleison.
Angesichts der aktuellen Lage in Israel und Palästina für alle Bewohner dort, deren Nachbarn und Bedränger, Unterstützer und Gegner, in der Hoffnung, dass sie auf Gewalt verzichten, dass niemand mehr um sein Leben fürchten muss und dass ein gerechter Friede in diesem Teil der Welt gefunden wird - lasst uns zu Gott rufen:
R: Kyrie eleison.
Für die Überlebenden der Judenverfolgungen, die bis heute gezeichnet und von Erinnerungen gequält sind wegen des erlittenen Grauens, dass sie Linderung finden für ihren Schmerz und dass sie und ihre Nachkommen Frieden für ihre Seele finden - lasst uns zu Gott rufen:
R: Kyrie eleison.
Für alle, die das Volk Israel noch immer verachten, dass sie zur Erkenntnis der Wahrheit finden, dass die Juden die Geliebten Gottes sind, Licht der Völker, Mittler von Segen und Heil; für alle, die schuldig geworden sind an Juden, dass sie ihr Tun bereuen und umkehren - lasst uns zu Gott rufen: (f)
R: Kyrie eleison.
oder das aktuelle Wochengebet der VELKD - http://www.velkd.de/10-sonntag-nach-trinitatis.php
Vaterunser
Lied zum Ausgang: Und suchst du meine Sünde (¶ EG 237)
Bekanntgaben – Friedensbitte: Verleih uns Frieden gnädiglich (EG 421)
Sendungswort
Der HERR gedenkt ewiglich an seinen Bund, an das Wort, das er verheißen hat für tausend Geschlechter, an den Bund, den er geschlossen hat mit Abraham und an den Eid, den er Isaak geschworen hat. Ps 105, 8.9
Segen - Nachspiel
entfalteter Wortgottesdienst
Vorspiel (g) – Eröffnung (wie oben)
Lied zum Eingang: Wo Gott der Herr nicht bei uns hält (EG 297 in Auswahl)
* Eingeständnis und Zusage (s. Anhang)
Anrufung (Klagegebet)
[Der HERR ist nahe allen, die ihn anrufen,
G: allen, die ihn ernstlich anrufen.]
Gedenke, HERR, wie es uns geht; schau und sieh an unsre Schmach! Sie haben die Frauen in Zion geschändet und die Jungfrauen in den Städten Judas. Fürsten wurde von ihnen gehenkt und die Alten hat man nicht geehrt. Jünglinge mussten Mühlsteine tragen und Knaben beim Holztragen straucheln. Es sitzen die Ältesten nicht mehr im Tor und die Jünglinge nicht mehr beim Saitenspiel. [Wir rufen:]
R: Heiliger Herre Gott, heiliger starker Gott, heiliger unsterblicher Gott, erbarm dich über uns.
(EG 185.4)
Unseres Herzens Freude hat ein Ende, unser Reigen ist in Wehklagen verkehrt. Die Krone ist von unserem Haupt gefallen. O weh, dass wir so gesündigt haben! Darum ist auch unser Herz krank, und unsere Augen sind trübe geworden um des Berges Zion willen, weil er so wüst liegt, dass die Füchse darüber laufen. [Wir rufen:]
R: Heiliger Herre Gott... (EG 185.4)
Aber du, HERR, der du ewig bleibst und dein Thron von Geschlecht zu Geschlecht, warum willst du uns so ganz vergessen und uns lebenslang so ganz verlassen? Bringe uns, HERR, zu dir zurück, dass wir wieder heimkommen; erneuere unsre Tage wie vor alters! Hast du uns denn ganz verworfen, und bist du allzu sehr über uns erzürnt? [Wir rufen:] (h)
R: Heiliger Herre Gott... (EG 185.4)
Tagesgebet (wie oben)
Prophetie
A Daniel 9,15-19 (VI Wü) Ach, Herr, sei gnädig
B Jesaja 27,2-9 (¶ V) Zu der Zeit wird es heißen: Lieblicher Weinberg
Graduale: Psalm 74, 1-3.8-11.20.21 (¶) Gott, warum verstößt du uns für immer (i)
Kehrvers: Gedenke an den Bund; * denn die dunklen Winkel des Landes sind voll Frevel (V-20)
oder Psalm 102 – Herr höre mein Gebet (EG 741)
Epistel
A Römer 11,25-32 (II in Wü ) Gottes Gaben und Berufung können nicht gereuen
B Römer 11,17-24 (¶ I) Sieh die Güte und den Ernst Gottes
Traktus (Psalm 106, 48.4.5.47) (anstelle von Halleluja)
Kehrvers: Gelobt sei der HERR, der Gott Israels * von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Herr, gedenke meiner nach der Gnade, *
die du deinem Volk verheißen hast.
Erweise an uns deine Hilfe, *
dass wir sehen das Heil deiner Auserwählten .
Hilf uns, HERR, unser Gott,*
und bringe uns zusammen aus den Heiden,
dass wir preisen deinen heiligen Namen *
und uns rühmen, dass wir dich loben können!
Evangelium: Lukas 19,41- 48 (I / ¶ III) Jesus weint über Jerusalem
Lied des Tages: Aus tiefer Not lasst uns zu Gott (¶ EG 144 in Auswahl)
Predigt (zu Evangelium)
Besinnung (Musik oder Lied)
Bekenntnis – Fürbitten - Vaterunser (wie oben)
Lied zum Ausgang: Und suchst du meine Sünde (¶ EG 237)
Abkündigungen –Friedensbitte [– Sendungswort] – Segen – Nachspiel (wie oben)
Anhang
Kyrie-Litanei (alternativ)
Gott des Erbarmens. Dein Volk Israel blickt zurück auf viele Erfahrungen von Zerstörung, Demütigung und Vertreibung und trauert vor dir. Als Kirche haben wir diese Trauer lange nicht geteilt, sondern oft genug vergrößert und haben uns angemaßt, die Katastrophen Israels als Gericht über seine Verstocktheit zu deuten. - Dich rufen wir an:
Kyrie-Ruf
Wir erkennen, dass wir es sind, die deinen Zorn verdient haben, weil uns nicht zusteht, uns über dein Volk zu erheben und es in seinem Leid allein zu lassen. Wir bitten, vergib uns und führe uns zur Umkehr. - Dich rufen wir an:
Kyrie-Ruf
Hilf, dass wir nicht nur mit Lippenbekenntnissen unsere Veränderung im Denken beteuern, sondern uns berühren lassen von der Klage deines Volkes. Verwandle uns, dass aus Gleichgültigkeit Teilnahme werde, Kälte der Herzlichkeit weiche und statt Selbstgerechtigkeit uns tätige Buße leite. Dich rufen wir an: (k)
Kyrie-Ruf
Abendmahl
mit folgenden zusätzlichen Stücken, ansonsten nach dem Entwurf (b)
* Eingeständnis und Zusage
Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN,
G: der Himmel und Erde gemacht hat.
Nun, Gottes Volk, was fordert der HERR, dein Gott noch von dir, als dass du den HERRN, deinen Gott fürchtest; dass du in allen seinen Wegen wandelst und ihn liebst und dem HERRN, deinem Gott, dienst von ganzem Herzen und von ganzer Seele, dass du die Gebote des HERRN hältst und seine Rechte, auf dass es dir wohlgehe ? (nach 5. Mose 10,12) Als solche, die vor den Erwartungen Gottes nicht bestehen können, bitten wir um seine Gnade:
G: Der allmächtige Gott erbarme sich unser. Er vergebe uns unsre Sünde und führe uns zum ewigen Leben. (oder in anderer Form))
So spricht der HERR zu seinem Volk: Gedenke daran, ich habe ich bereitet, dass du mein Knecht seist. Ich vergesse dich nicht. Ich tilge deine Missetat wie eine Wolke und deine Sünden wie einen Nebel. Kehre dich zu mir, denn ich erlöse dich.( Jes 44,22) Wir dürfen gewiss sein: Der allmächtige Gott hat sich über uns erbarmt und überwindet in Christus unsere Schuld. Aus seiner Vergebung können wir leben. Was gewesen ist, soll nicht mehr beschweren, was kommt, muss uns nicht schrecken. Gottes Gnade ist unseres Lebens Freude und Kraft. (oder in anderer Form)
Quellen und Vorlagen
Soweit nicht anders angegeben sind Bibelverse wörtlich zitiert aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
¶ Vorschläge zur Perikopenrevision
[ ] Stücke, die entfallen können
* Stücke, die entfallen, wenn kein Abendmahl gefeiert wird
a vgl. Arbeitshilfe „Als er die Stadt sah...“, Denkendorf 2009, S. 19
b vgl. Reformierte Liturgie, Wuppertal 1999, S. 132
c vgl. S.Bukowski, Lass mich blühen unter deiner Liebe, Neukirchen-Vluyn 2001, S. 107
d vgl. Evangelisches Gottesdienstbuch, Berlin 1999, S. 541
e vgl. Wege zum Verständnis des Judentums, Predigthilfe Israelsonntag 2001, Denkendorf 2001, S. 16
f vgl. Arbeitshilfe „Bessert euere Wege und Taten...“ Denkendorf 2007, S. 25
g Beim Einzug kann die Bibel mit vorgetragen und zum Altar bzw. Lesepult gebracht werden
h Klagelieder 5,1.11-22 - ¶ Perikope, VI. Jahrgang zum 10. nach Trinitatis (violett)
i andere Palmversionen z.B.
Reimpsalter - Ausgabe des EG für die Evangelisch-reformierte Kirche, Ps 74 in Ausw.
Joppich/Reich/Sell, Preisungen, Münsterschwarzach 1998, Ps 80 in Ausw.
St.Metzger-Frey, Anglikanisches Chorsingen deutsch, München 2011, Ps 102
Evangelisches Tagzeitenbuch, 5. Aufl. Göttingen 2003, Nr. 351 in Auswahl (Ps 74)
k vgl. Reformierte Liturgie, Wuppertal 1999, S. 132