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Januar 2013

Gottesdienst zum Jahresthema „Toleranz“



Vorspiel


Eröffnung
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen.

„Der Schatten der Reformation – Der lange Weg zur Toleranz“ so lautet das kommende Jahresthema in der Luther- bzw. Reformationsdekade und das ist nicht einfach: Für Toleranz sind zwar irgendwie (fast) alle. Doch schon bei der Definition des Begriffs zeigen sich Probleme: Heißt Toleranz, ich muss alle anderen Menschen und alle mir fremden und widerständigen Verhaltensweisen „unbedingt“ und wider- spruchslos annehmen? Was würde das im konkreten Alltag bedeuten?
Als  evangelische Kirche hatten wir in den letzten 500 Jahren eine lange, schmerzvolle Lerngeschichte in Sachen Toleranz. Und diese Lerngeschichte ist nicht abgeschlossen. Selbst oft verfolgt, verhielt sie sich meist nicht weniger intolerant und gewaltsam gegenüber Minderheiten, wenn sie die Macht dazu hatte. Zur Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017 gehört es auch, sich der bleibenden Wirkungen dieser dunklen Schattenseiten der eigenen Tradition bewusst zu werden. Wir tun dies in dem Wissen um die Fehlbarkeit und Schuldverstrickungen aller Menschen, auch unserer Reformatoren. Doch wir leben  dabei zugleich aus der Gewissheit:  „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“ (Römer 5,8). (a)


Lied zum Eingang: Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist (eg 126)
oder Heilger Geist, du Tröster mein (eg 128)


Anrufungen

Du treuer Gott, aus der Zusage, dass du mit uns bist, hat deine Kirche oft das Recht abgeleitet, andere mit Gewalt zu bekämpfen [oder ihnen ihre Vorstellungen aufzuzwingen]. Wir haben begriffen, dass dies unrecht war. [Wir bitten um dein Erbarmen:

R: Kyrie eleison.]

Aber auch wir sind nicht dagegen gefeit, Glaubenssätze  als Waffe zu nutzen, um andere zu verletzen. Wir hören oft nicht wirklich zu und bedenken nicht, was andere sagen [oder ihnen wichtig ist]. Wir wollen Recht behalten. [Wir bitten um dein Erbarmen:

R: Kyrie eleison.]

Vor dir, Gott, können wir nicht verbergen, was wir anrichten mit unserer Unduldsamkeit. Du siehst, wie Menschen  manchmal unter uns leiden. Du öffnest die schützenden Mauern deiner Güte für die, die bei dir Zuflucht suchen vor Fanatismus und Missachtung. [Wir bitten um dein Erbarmen: (b)

R: Kyrie eleison.]

Machtvoll tritt Gott allen entgegen, die seinen heiligen Namen missbrauchen, um Feindschaft zu säen. In seinem mütterlichen Erbarmen erneuere er uns im Geist des Friedens und lehre uns zu leben in versöhnter Verschiedenheit.( c)  [Ihn lasst uns miteinander loben:

V x G: Ehre sei Gott in der Höhe  …]


Tagesgebet

Beten wir in der Stille zu Gott, dankbar für die Freiheit in die er uns durch Jesus Christus führt:

Gütiger Gott, bewahre uns davor, unsere Freiheit zu verwechseln mit Beliebigkeit, der alles gleich-gültig ist, was den Glauben betrifft. Lass uns nie aufhören nach der Wahrheit zu fragen, um sie in der Liebe zu den Menschen zu leben. Lehre uns Unterschiede zu achten, ohne uns voneinander zu trennen. Und wenn uns Feindschaft entgegenschlägt, lass uns nicht Böses mit Bösem vergelten, sondern nach Frieden suchen im Geist deines Sohnes Jesus Christus, unseres Bruders und Herrn. R: Amen. (d)


Lesung: Römer 12,9-21 … habt mit allen Menschen Frieden


Psalm 46 – Gott ist unsere Zuversicht und Stärke (eg 726)

oder Reimpsalm 46 – Gott ist uns Zuflucht in Bedrängnis  (e)

oder ein Psalmlied

Evangelium: Lukas 6,49-56 … Wisst ihr nicht, wes Geistes Kinder 

oder Matthäus 13,24-30 -  Vom Unkraut unter dem Weizen

oder Markus 9,10-38-41 – Der fremde Wundertäter


Antwotlied: Damit aus Fremden Freunde werden (EG Wü 657 i.A.)

oder ein anderes Lied


Ansprache (zu Galater 5,1-7)


Besinnung (Musik oder Stille)


Bekenntnis 

[Nehmen wir ein aktuelles Glaubenszeugnis auf, das von Zuspruch und Anspruch spricht, wie uns das die biblische Botschaft erkennen lässt:]

Ich glaube an Gott, die Kraft, die uns in der Schöpfung ruft. Ich glaube, dass Gott uns aus der Angst und der Verwirrung führen kann. Ich glaube, dass Gott uns Menschen Zeichen gibt, damit wir sie verstehen.

Ich glaube, dass Jesus Christus uns als Gottes-Menschen-Sohn an unsere Sinne erinnert, damit wir Freude und Schmerz, Tod und Leben, Sommer und Winter, Himmel und Erde erfahren können.

Ich glaube daran, dass in uns die Kraft für neues Leben ruht, die in den Sommer drängt. Ich glaube, dass es neben uns Schwestern und Brüder gibt, die mit uns gehen wollen. Ich glaube, dass uns Gottes GEist aus den Sorgen des Alltags in die Wachsamkeit des Gebets ruft, zum Respekt nötigt, zur Gerechtigkeit drängt, zur Vergebung einlädt, zur Liebe befähigt und zum Leben auffordert. (Amen) (f)


Bittgebet

Lasst uns beten:

Gott, immer wieder erfahren wir, wie schwierig es ist, mit Unterschieden zwischen den Menschen zu leben. - In uns selbst kommen versteckte Vorurteile gegenüber Menschen anderer kultureller und rassischer Herkunft zum Vorschein. Wir brauchen ein Herz mit weitem Horizont. Wir bitten und rufen:

R: Herr, erbarme dich.

Wir sind verunsichert durch Formen der Leitung, die anders sind als die von uns gewohnten. - Wir finden es manchmal sogar schwierig, Glaubensüberzeugungen und Handlungsweisen anderer christlicher Denominination anzunehmen. Wir brauchen ein Herz mit weitem Horizont. Wir bitten und rufen:

R: Herr, erbarme dich.

Gott, vergib die subtile (leicht unerkannte) Weise, in der wir selbst zur Entstehung von Konflikten und Spannungen in unserer Gesellschaft und Welt beitragen. - Lass uns freiwerden von jener Unsicherheit, die uns zu einer verengten und ängstlichen Hinwendung nur zu den Menschen verleitet, die sind wie wir. Wir brauchen ein Herz mit weitem Horizont. Wir bitten und rufen:

R: Herr, erbarme dich.

Schenke uns anstelle eines verengten Blickwinkels einen neuen Geist der Toleranz und den Geist der Wertschätzung und der Offenheit für alle, die anders sind, und für das, was wir von ihnen an Bereicherung lernen können. Wir brauchen ein Herz mit weitem Horizont. Wir bitten und rufen:

R: Herr, erbarme dich.

Lass uns inmitten unserer Unterschiedlichkeit und über sie hinaus jene Umfassende Einheit entdecken und immer wieder spüren, die in der (gemeinsamen) Nachfolge Jesu wurzelt, in dessen Namen wir (hier) zusammen sind und gemeinsam beten: (g)


Vaterunser


Lied zum Ausgang: Bewahre uns, Gott, behüte uns Gott (eg 171)


Ansagen (ggf. am Ende der Abkündigungen)

Zehn  Thesen „Toleranz aus Glauben“ sind von der EKD im Jahre 2005 formuliert worden. Wir laden ein - im Anschluss an den Gottesdienst zu einem Gespräch anhand dieser Thesen: Sie lauten: 

1. Als evangelische Christinnen und Christen nehmen wir den Pluralismus in unserer  Gesellschaft als Chance und Herausforderung an. Dabei wollen wir unseren Glauben offen bekennen, leben und für ihn werben. Glaubensgewissheit und Toleranz gehören für uns zusammen.

2. Unsere Toleranz ist in der Toleranz des dreieinigen Gottes begründet, der alle Menschen zu seinem Bild geschaffen hat, sie liebt und sie zum Glauben an ihn ruft. Gott in seiner Gerechtigkeit verurteilt die Verletzung der Menschenwürde und den Missbrauch von Freiheit. Gottes Versöhnung öffnet allen Menschen immer wieder neu den Weg zum Glauben.

3. Toleranz zielt auf die wechselseitige Anerkennung der Würde jedes Menschen und seines Verständnisses von Wahrheit, Leben und Glauben. Dabei hängt unsere Toleranz nicht davon ab, dass sie von anderen im gleichen Maße geübt wird. Doch nur auf der Basis der wechselseitigen Anerkennung kommt es zu einer Streitkultur, die einen offenen Dialog über die unterschiedlichen Denk-, Lebens- und Handlungsweisen ermöglicht.

4. Es entspricht evangelischem Selbstverständnis, Toleranz gegenüber anderen Überzeugungen und Lebensweisen zu üben. Dieses Selbstverständnis wurde in schmerzhaften geschichtlichen Prozessen errungen. Heute sind für uns die auch in der Tradition des Christentums entwickelten Menschenrechte weltweite Grundlage allen gelingenden menschlichen Zusammenlebens.

5. Wir wissen um die Unverfügbarkeit der Wahrheit Jesu Christi, die unseren eigenen Wahrheitsanspruch begrenzt. Letzte Autorität kommt nur dieser Wahrheit zu, nicht aber denen, die sie vertreten.

6. Toleranz hat ihre Grenze dort, wo das Denken und das Handeln von Menschen das Leben und die Würde anderer gefährden und bedrohen. Als Kirche wollen wir eine verlässliche Anwältin sein für ein Leben aller Menschen in Würde und ein ort des Widerstandes gegen jede Form von Intoleranz.

7. Im Dialog um die zukünftige Gestalt unserer Gesellschaft treten wir ein für die Toleranz als Grundlage des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen. Wir tun dies auf der Grundlage unserer von jüdisch-christlichen und humanistischen Traditionen geprägten freiheitlichen Rechtsordnung.

8. Damit Menschen tolerant sein können, brauchen sie gelingende Beziehungen und Bildung, die ihnen hilft, die eigene Identität zu entwickeln und die sie zu einem verantwortlichen Umgang mit dem Fremden ermutigt. Auch unser missionarisches Handeln zielt darauf, Menschen im christlichen Glauben zu verwurzeln und sie so auch zur Toleranz zu befähigen.

9. Unverzichtbar für die Entwicklung von Toleranzist, dass Menschen die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe an unserer Gesellschaft bekommen. Zukunftsängste befördern Intoleranz.

10. In Bindung an das Wort Gottes sind wir bereit zum Dialog. Wir streben ein versöhntes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen, Weltanschauungen und Religionen an. Wir bitten Gott: „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ (Lukas 1,79). (h)


Friedensbitte: Verleih uns Frieden gnädiglich (eg 421)

Vorspruch ( Sendung)

Unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. Uns obliegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerissen in sinnloser Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauuung. Gebe Gott uns den Mut und die Vorraussicht, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, auf dass unsere Kinder und Kindeskinder einst mit Solz den Namen Mensch tragen. (i)


Segen

Und der Friede Gottes, der so viel stärker ist, als unsere Gedanken verstehen, sei ein Schutzwall, eine Wacht, um unsere Herzen und Gedanken, dass nichts und niemand uns von Jesus + Christus  trenne.

R: Amen. (k)


Nachspiel



Quellen und Vorlagen

Soweit nicht anders angegeben sind Bibelverse wörtlich zitiert aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

a vgl. N. Schneider im Vorwort zum “Toleranzmagazin“ der EKD  2012,  S. 2

b, c vgl. Meditation zu Ps 46 (S. Bukowski), Toleranzmagazin S. 61

d vgl. Gebet zu Gal 5,1-6 (S. Bukowski), Toleanzmagazin S.  61

e vgl.Ausgabe des EGs für  die Evangelisch-reformierte KIrche

f vgl. Ergänzungsband zum Württem. Gottesdienstbuch, Stuttgart 2005, S. 174, Nr. 18 (H. Köhler)

g vgl.  Sinfonia Oecumenica, Gütersloh 1998, S. 482 (Corymeela Worship Book, 1987)

h www.ekd.de/synode2005/beschluesse_kundgebung.html

i vgl. Gebet der Vereinten Nationen in: C.Einiger (Hg)  Die schönsten Gebete der Welt, München 1964, S. 276

k Phil 4,7, übetragen von  Jörg Zink, Das Neue Testament