30. Oktober 2010
Henri Dunant (1828 - 1910) (rot/weiß) Gründer des Roten Kreuzes
Einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder. (Mt 23,8)
Aus Anlass des 100sten Todestages: Vorschlag für einen abendlichen Gottesdienst (Vesper) mit Elementen aus der Tagzeitenliturgie nach dem Evangelischen Gesangbuch. Durch einen Stern * gekennzeichnete Stücke können entfallen.
(Vorspiel)
Eröffnung (Hinführung)
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen, R. Amen.
Wir gedenken am heutigen Tag des Gründers des Roten Kreuzes Henri Dunant, der am 8. Mai 1828 In Genf geboren wurde und am 30. Oktober 1910 verstorben ist. Schon mit 20 Jahren hatte er in Genf einen Saal zur Evangelisation unter jungen Männern gemietet und zählte zu den führenden Gründern der Weltorganisation des CVJM (1855) Als einer der Gründer der Evangelischen Allianz in der Schweiz, war er deren Sekretär von 1852 bis 1859. Sein Beruf als Bankan-gestellter führte ihn nach Nordafrika, damals von französischen Truppen besetzt . Dort gründete er 1858 eine Getrei-demühlen-Aktiengesellschaft. In seinem Buch »La Régence de Tunis«, (1858) verurteilte er die Praktiken des Sklavenhan-dels. 1859 reiste er geschäftlich in die Lombardei, um eigentlich Kaiser Napoleon III. zu treffen Statt dessen wurde Dunant Augenzeuge der schrecklichen Zustände nach der Schlacht von Solferino (Juni 1859), der blutigsten Schlacht des 19. Jahr-hunderts, und des völligen Versagens der Verwun-deten- und Gefangenenfürsorge. Er organisierte eine Hilfsaktion die sowohl »Freunden« als auch »Feinden« half. In seinem Buch »Erinnerung an Solferino« (1862) rief er zur Gründung un-parteiischer Hilfsorganisationen auf. 1863 organisierte er in Genf zusammen mit Gustave Moynier, General Henri Dufour, Théodore Maunoir und Louis Appia einen internationalen Kongreß, dessen Beschlüsse zur Gründung des Roten Kreuzes, und am 22. August 1864 zur Genfer Konvention »zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der im Felde stehenden Heere« führten. 1867 wurde er - nach dem Bankrott seiner algerischen Firmen - vom Genfer Handels-gericht als Betrüger hingestellt und aus dem Komitee des Roten Kreuzes und 1868 ferner aus dem CVJM ausgeschlossen. Er verließ Genf, versuchte (erfolglos) sich im Ausland für Verwundete und Kriegsgefangene einzusetzen und lebte in den nächsten 30 Jahren fast völlig mittellos.(a) Auch entwickelte er in dieser Zeit eine zunehmende Menschenscheu. Ab 1887 lebte er wieder in der Schweiz (ab 1892 im Bezirksspital von Heiden). Hier verbrachte er dann völlig zurückgezogen seinen in den folgenden Jahren zunehmend von religiös-mystischen Gedanken und prophetischen Vorstellungen geprägten Lebensabend. Obwohl er sich selbst noch mit dem christlichen Glauben verbunden sah, hatte er sich sowohl vom Calvinismus wie von jeder anderen Form organisierter Religion losgesagt und verachtete in seinen letzten Lebensjahren jegliche religiösen Institution. In einem Brief aus dem Jahr 1890 hatte er geschrieben: „Ich wünsche zu Grabe getragen zu werden wie ein Hund, ohne eine einzige von euern Zeremonien, die ich nicht anerkenne.... Ich bin ein Jünger Christi wie im ersten Jahrhundert, und sonst nichts.“ Kirchlicherseits ist noch immer ein eher distanziertes Verhältnis zur Person Dunants festzustellen.
1901 wurde er mit dem ersten Friedens-Nobelpreis geehrt. Die Tatsache, dass fast alle Ideen Henri Dunants im Laufe der Zeit realisiert wurden und zum grossen Teil noch heute relevant sind, zeigt, dass er mit vielen seiner Visionen seiner Zeit voraus war. Dies gilt neben der Begründung der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung und der Ausweitung der Aktivitäten des Internationalen Komitees auf die Kriegsgefangenen unter anderem auch für den Weltbund des CVJM, für die Gründung des Staates Israel, für die Schaffung einer Organisation zur Pflege des kulturellen Erbes der Menschheit in Form der UNESCO sowie für seinen Einsatz für die Befreiung der Sklaven in Nordamerika und für die rechtliche Gleichstellung der Frauen. (b)
Lied: Gib Frieden, Herr, gib Frieden (EG 430,1-4)
* Ingressus: Herr bleibe bei uns (EG 785.1)
Psalm (gesprochen)
Votum: Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Mt 25,40
Psalm 146: (Halleluja.) Lobe den Herrn, meine Seele (EG 757)
* Tagesgebet
Beten wir in der Stille zu Gott, der unsere Zuversicht und Stärke ist:
Treuer Gott, du schaffst und erhältst alles Leben. Nimm uns unter deinen Schutz. Wehre den Mächten, die das Leben bedrohen und birg uns in deinem Frieden. Gib, dass alle, denen Macht übertragen ist, erkennen und tun, was dem Frieden und der Gerechtigkeit dient. Durch Jesus Christus, unsern Bruder unter den Menschen, unserm Herrn für Zeit und Ewigkeit. (c)
Evangelium: Lukas 10,25-37 - Der barmherzige Samariter
* Responsorium: Ich suche dich, Herr, von ganzem Herzen (EG Wü 780.5)
Betrachtung (Auslegung oder Vita (d) oder Würdigung)
Hymnus/Lied: O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens. (EG 416)
oder: So jemand spricht: Ich liebe Gott (EG 412,1-4.7)
* Canticum
Seligpreisungen: Gedenk an uns o Herr (EG 307)
oder
Leitvers: Christus, unsern Heiland, ewigen Gott, Marien Sohn...
Magnificat: Meine Seele erhebt den Herren (EG 785.6)
Fürbitten
Im Gedenken an das Wirken Henri Dunants lasst uns danken für die weltweite Anerkennung seiner Ideen und Gott anrufen um seinen Frieden, dass wir Frieden finden für unser aller Leben und selbst zum Frieden beitragen unter den Menschen. Um Gottes Barmherzigkeit, dass auch wir miteinander Erbarmen haben. Um Vertrauen und Glauben, dass wir den Sinn unseres Daseins entdecken und einander zu einem glücklichen Leben helfen. Lasst uns bitten und rufen:
R: Herr, erbarme dich.
Für alle, die heute leiden müssen, weil sie inmitten von Krieg und Bürgerkrieg leben, für die Hungrigen und die Unterdrückten, für die, die gefoltert werden, dass ihr Elend ein Ende hat, dass sie satt werden, ungefährdet und frei.
Lasst uns bitten und rufen::
R, Herr, erbarme dich.
Für alle, die Trauer tragen um die Opfer der Kriege, um den eigenen Verlust von Haus und Heimat, Arbeit und Anerkennung, um einem ihnen wichtigen Menschen, dass sie weiterleben können ohne Verzweiflung und ohne Resignation. Lasst uns bitten und rufen::
R: Herr, erbarme dich.
Für uns und alle Menschen, die wir immer wieder mit Gefährdungen durch Hass und Gewalt leben müssen, dass wir uns auf die Kraft der Liebe und des gegenseitigen Respekts für ein menschliches Miteinander besinnen, das wir die Zeit unseres Lebens nicht sinnlos verbringen, Lasst uns bitten und rufen::
R: Herr, erbarme dich.
Nimm dich unser gnädig an, rette und erhalte uns.Du kannst uns helfen. Du bist ein gütiger Gott und liebst die Menschen. Dir allein gebührt der Ruhm und die Ehre und die Anbetung, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. (d)
Vaterunser
Ausgang (Lobpreis und Segen ) (EG 785.11)
(Nachspiel)
*
Vita
Als der erste Friedens-Nobelpreis im Jahre 1901 an Henri Dunant verliehen wurde, lebte dieser - so gut wie von der Welt vergessen - schon vierzehn Jahre unter bescheidensten Verhältnissen in dem Bezirkshospital in Heiden im schweizerischen Kanton Appenzell-Außerrhoden. Selbst seine Mitinsassen kannten den großen hageren Greis mit dem langen weißen Prophetenbart kaum näher. Und doch hatte das Lebenswerk des "Einsiedlers von Heiden" inzwischen weltweite Ausmaße gewonnen. Ein einziger Tag war es gewesen, der dem Leben dieses Mannes eine neue Richtung gegeben hatte, der ihn zu einem der großen Barmherzigen Samariter machte und ihn auf einen Weg wies, den er nicht gesucht hatte. Dieser Tag war der 24. Juni 1859. Henri Dunant, Geschäftsmann aus Genf, damals einunddreißig Jahre alt, Nachkomme einer hochangesehenen und vermögenden Patrizierfamihe, war am Vorabend in das lombardische Städtchen Castiglione gekommen. Er war dem französischen Kaiser Napoleon III. nachgereist und wollte die erste sich bietende Gelegenheit nutzen, um diesem eine Denkschrift zu überreichen und ihn um Konzessionen für seine geschäftlichen Unternehmungen in Algier zu bitten.
Statt eine Audienz beim Kaiser zu erhalten, wurde er unfreiwilliger Zeuge der furchtbaren Schlacht, die im Morgengrauen anbrach. Napoleon III. hatte sich im Kampf gegen Österreich auf die Seite der italienischen Einigungsbewegung gestellt. Die verbündeten Franzosen, Sarden und Piemontesen waren bereits am 4. Juni bei Magenta siegreich gewesen, und nun sollte die Entscheidung um den Besitz der Lombardei fallen. "Fünfzehn Stunden lang kannten 300000 Menschen kein höheres Ziel, als mit Kugel, Bajonett, Gewehrkolben oder würgenden Händen andere Menschen zu töten". Als am Spätnachmittag die Verbündeten die Höhen von Solferino gestürmt hatten und der österreichische Kaiser den Rückzugs-befehl geben mußte, fand das Gemetzel endlich ein Ende. Mehr als 30000 Tote und Verwundete deckten das Schlachtfeld.
Für den Mann aus Genf, der eigentlich nach hier gekommen war, um Geschäfte zu machen, trat jetzt alles hinter der einen Aufgabe zurück, den leidenden Opfern des Sieges zu helfen. Obwohl ihn zuerst der Ekel vor all dem Entsetzlichen, das sich seinen Augen bot, schüttelte, griff er beherzt zu, spendete Trost, schrieb letzte Grüße auf. Und bald wurde aus dem Einzelhelfer der Organisator. Wie ein Wunder war es, dass er immer mehr helfende Hände fand, die sich freiwillig seiner Autorität unterordneten: lombardische Frauen, Mädchen, Kinder, Priester, englische Touristen, ein Belgier, ein Schwede, ein Deutscher - die erste internationale Hilfstruppe.
Es gelang Dunant, von den Franzosen gefangene österreichische Ärzte freigestellt zu bekommen. Er richtete Behelfsspitäler ein, ließ auf seine Kosten Verbandsmaterial, Obst und Tabak herbeischaffen und Freund und Feind gemeinsam pflegen. Ein Ausspruch wurde zur Losung dieser Tage: "Tutti fratelli" ("Alle sind Brüder"). Und dennoch starben noch unendlich viele Verwundete, weil nicht genügend Hilfskräfte zur rechten Zeit verfügbar waren. Das Gefühl der großen Hilflosigkeit vor diesem Massenelend ließ Dunant nicht mehr los. In seinem Buch "Eine Erinnerung an Solferino" schrieb er sich später das Erlebte vom Herzen. Und hier stellte er auch die Frage: "Wäre es nicht möglich, schon im Frieden in allen Nationen Hilfsvereine für die Verwundeten des Krieges zu gründen?" Er dachte bereits an ein gemeinsames Abzeichen der Helfer und den Status der Unverletzlichkeit für diese und schlug einen internationalen Kongress vor, der verbindliche Übereinkünfte treffen sollte.
Der Appell Dunants fand Gehör. Der Gedanke, in der militärischen wie in der zivilen Krankenpflege freiwillige Helfer einzusetzen, war zwar schon vor ihm aufgekommen, und besonders die Engländerin Florence Nightingale (1820 bis 1910) hatte sich hier als leuchtendes Vorbild gezeigt, aber der Plan der Internationalisierung der Hilfsdienste und des völkerrechtlichen Schutzes der Verwundeten und ihrer Helfer sowie der Gefangenen war das Werk Dunants. In dem Genfer Juristen Gustave Moynier und dem schweizerischen General Guillaume Henri Dufour fand er dabei besonders aktive Mitstreiter. Unermüdlich reiste er in Europa von Regierung zu Regierung und konnte im Oktober 1863 das Zustandekommen der ersten Genfer Konferenz als seinen Erfolg verbuchen. Hier einigte man sich auch auf das gemeinsame Symbol: das Rote Kreuz im weißen Feld.
Ein Jahr später unterzeichneten zwölf europäische Staaten die erste Genfer Konvention. Damit hatte die Bewegung, die von Solferino ausgegangen war, ihre völkerrechtliche Verbindlichkeit erhalten und Genf war zum Sitz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz geworden. Weitere Vereinbarungen folgten.
Heute sind die Genfer Abkommen von nahezu sämtlichen Staaten der Welt ratifiziert. Das Rote Kreuz wurde zum größten Hilfswerk in Krieg und Frieden. Eine gewisse menschliche Tragik für Henri Dunant lag darin, dass ihm sein Werk lange vor seinem Tode "davonlief", sich ohne ihn weiterentwickelte - sein Werk, von dem Theodor Heuss sagte: "Henri Dunant hat Geschichte gewirkt, wenn nicht Menschheitsgeschichte, so doch Geschichte der Menschlichkeit. Er hat ein Symbol geschaffen, das Rote Kreuz, und mit ihm eine Trostkraft für Millionen."(e)
Quellen - Erläuterungen
Soweit nicht anders angegeben sind Bibelverse wörtlich zitiert aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
a vgl. www.oppisworld.de zu Dunant
b vgl. www. wikipedia:de zu Dunant
c vgl. Evangelisches Gottesdienstbuch, Berlin 2000, S. 475.
d vgl. Reformierte Liturgie, Wuppertal 1999, S. 251 f
e vgl. /www.dolacek.de/dunant.htm