2. Dezember 2020
Nahum, Habakuk, Zefania (blau #) Propheten der vergeltenden Gerechtigkeit Gottes
Des HERRN großer Tag ist nahe, er ist nahe und eilt sehr. Horch, der Tag des HERRN ist bitter!
(Zef 1,14).
Zum christlichen "Gedenken der Heiligen" wird häufig auf die "Wolke der Zeugen"" nach Hebräer 12,1 verwiesen; wo eben Abel, Henoch, Noah, Abraham und Sara etc. namentlich genannt werden: Gestalten aus dem Alten Testament. Ihrer zu gedenken, - wie in manchen Kirchen der Ökumene (Orthodoxie, Anglikanische Kirche in Kanada, amerikanische Lutheraner (LCA) - kann berechtigterweise auch „Thema“ für einen Wochen-Gottesdienst in evangelischer Tradition abgeben. Ents-prechend werden Vorschläge für eine abendliche Feier (Vesper) mit Elementen aus der Tagzeitenliturgie geboten.
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Eröffnung (Begrüßung)
Gelobt sei Gott, der HERR, der Gott Israels, der allein Wunder tut. Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich und alle Lande sollen seiner Ehre voll werden. (Ps 72,28.29) R: Amen.
Wir begehen in dieser Woche (wiederum) den gemeinsamen Gedenktag dreier Propheten - Nahum, Habakuk und Zefania - bei denen die Ankündigung des vergeltenden Gerichts Gottes bzw. die Frage danach besonders hervortritt, Historisch sind sie verschiedenen Jahrhunderten - Nahum 6. Jh. v.Chr., Habakuk 6. Jh. v.Chr., Zefanja 7. Jh. v.Chr.- zuzuordnen. Die nach ihnen genannten Schriften werden zum sog Zwölf-Propheten-Buch gezählt und werden zumeist eschatologisch gedeutet. Über die Propheten als Personen ist wenig bekannt. Einzelne Vers-Aussagen aus ihren Büchern haben besondere Bedeutung erlangt, auch wenn diese stichwortartig in andere Zusammenhänge gestellt werden. So z.B. „Der HERR ist gütig und eine Feste in der Zeit der Not..“ (Nah 1,7) „Der HERR ist in seinem heiligen Tempel. Es sei stille vor ihm alle Welt.“ (Hab 3,20) oder „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“(Hab 2,4b)
(Lied: Ach Gott, vom Himmel sieh darein (EG 273 in Auswahl)
(oder) Eröffnung (Ingressus): Herr, bleibe bei uns (EG Wü 781.1)
Psalmgebet (gesprochen)
Votum: HERR, ich habe Kunde von dir gehört; ich habe dein Werk gesehen, HERR! Mache es lebendig in dieser Zeit und lasse es kundwerden in naher Zeit. Im Zorne denke an Barmherzigkeit! (Hab 3,2)
Psalm 51 – Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte (EG.E 60 / EG 727)
Tagesgebet
Beten wir in der Stille zu Gott, der durch seine Boten zur Umkehr ruft - Stille -
Herr, ewiger und allmächtiger Gott. Du umfängst und prüfst unser Leben und wirst am Ende über unser Leben dein Urteil sprechen. Du weißt, dass wir Schuld auf uns laden und schuldig werden.
Obwohl wir wissen, was gut ist, tun wir oft dennoch das Böse. Deshalb bitten wir dich: Lass uns durch dein tröstliches Wort Vergebung und den rechten Weg finden durch unseren Herrn Jesus Christus, der deine Barmherzigkeit bezeugt und gelebt hat, unsern Retter und Herrn. a
Lesung (Altes Testament): Nahum 1,2-8 – Der HERR ist ein eifernder und vergeltender Gott
oder Habakuk 2,4-8 – Wer halsstarrig ist, der wird keine Ruhe in seinem Herzen haben
oder Zefania 3,8-13 – Die Übriggebliebenen in Israel werden nichts Böses tun
Antwortgesang: Ich suche dich, Herr, von ganzem Herzen (EG Wü 780.5)
Lesung (Neues Testament):
2. Thessalonicher 1, 6-12 - Es ist gerecht bei Gott, mit Bedrängnis zu vergelten
Antwortgesang: Weise mir, Herr, deinen Weg (EG Wü 779.3)
Auslegung oder Betrachtung (b)
Lied: Nimm von uns. Herr, du treuer Gott (EG 146 in Auswahl)
oder Es ist gewisslich an der Zeit (EG 149 in Auswahl)
[ Canticum (c)
Leitvers: Der Herr hat uns aufgerichtet eine Macht des Heiles im Hause seines Dieners David.
Benedictus: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels (EGWü 779.6) ]
Fürbitten
Herr, ewiger und allmächtiger Gott. Aus der Tiefe dieser Erde rufen wir zu dir. In den Dunkelheiten des Lebens hast du uns erleuchtet. In der Armut des Glaubens hast du uns gestärkt. Das verdanken wir dir und deiner Barmherzigkeit. Demütig vor deiner Macht beten wir dich an im Geheimnis deiner Herrlichkeit und rufen zu dir:
R: Herr erbarme dich
Weil wir dich in dieser Allmacht und Unendlichkeit Vater nennen dürfen, bitten wir voll Vertrauen für die, die dich suchen: führe sie auf allen Irrwegen ihres Lebens den Weg zu dir; lass sie durch alle Irrtümer hindurch deine Wahrheit erkennen und mit allen ihren guten und bösen Taten deinen Willen tun. Für sie rufen wir dich an:
R: Herr erbarme dich
Weil wir dich in deiner Allmacht und Unendlichkeit Vater nennen dürfen, bitten wir in voll Vertrauen für die, die anderen Mächten dienen: die voller Hass und Gier Menschen unterdrücken und die Schöpfung zerstören, die voller Grausamkeit Kinder quälen und Frauen schänden, die voller Sucht ihr Leben mit Drogen gefährden, die in Hochmut und Verblendung ihr Wissen verkaufen und das Recht beugen, die voller Wahn für Religion und Rasse und Volk Menschen opfern. Du, Herr, hast die Macht über alle Mächte, du, Herr, kannst Menschen befreien. Für sie rufen wir dich an:
R: Herr erbarme dich
Weil wir dich in deiner Allmacht und Unendlichkeit Vater nennen dürfen, bitten wir dich voll Vertrauen für alle, deren Leben leer ist: die keine Arbeit finden, die keine Kraft mehr haben, die keinen Sinn mehr sehen, die einsam sind, die hungern müssen und heimatlos sind, die ausgestoßen und abgewiesen werden. Du, Herr, bist die Fülle des Lebens. Für sie rufen wir dich an:
R: Herr erbarme dich
Du, Herr, führst alle zu dir. Mit unserem Herzen, Herr, bitten wir dich für die Menschen, die dich heute finden: stärke sie mit deiner Kraft, erleuchte sie mit deiner Klarheit, mache sie reich mit deiner Liebe. Für sie rufen wir dich an:
R: Herr erbarme dich
Mit unserem Herzen, Herr, danken wir dir für das Geschenk des Lebens, für die Gewissheit des Glaubens, für die Hoffnung auf dein Reich. Mit unseren Lippen, Herr, rühmen wir deinen ewigen Namen, preisen wir deine herrlichen Werke, und rufen wir dich in deiner Heiligkeit an: (d)
R: Herr erbarme dich
Vaterunser
[ Schlussgesang: Unsern Ausgang segne Gott (EG 163)
oder Schalom chaverim (EG 434) ]
Segen
Gott, der die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, er sei uns gnädig, löse uns von unserer Schuld, stärke und kräftige uns in allem Guten und schenke uns ewiges Leben durch Jesus Christus. (e)
Anhang
Durch das Nahumbuch in seiner vorliegenden Fassung zieht sich das Problem der göttlichen Vergeltung. Implizit geht es im Corpus (Nah 2,4-3,19) um dieses Thema; explizit gemacht wird es in der hymnischen Anrede JHWHs als „Vergelter“ gleich zu Beginn des Nahum-Psalms (Nah 1,2; s.o.). Diese göttliche Vergeltung ist – im Unterschied zur modernen Anschauung von Rache als illegitime Privatrache – als Form des Rechtschaffens anzusehen: Die Gewalt, die Assur lange Zeit gegen Juda und andere Staaten ausgeübt hat, wendet sich nun gegen den Verursacher Assur selbst. ... Dabei ist es JHWH, der die Zerstörungsmacht gegen Assur hinaufziehen lässt (Nah 2,14-3,1). Er ist es, der als Gewalttäter Ninive demütigt und zerstört (Nah 3,4-7). Hierin zeigt sich ein meist der nachexilischen Theologie Israels zugeschriebener universalistischer Zug: JHWH ist der Gott über die gesamte Welt; ohne Ansehen von Nationalität oder Ethnie setzt er sein Recht durch.
Unterschwellig schwingt im Nahumbuch die Frage mit, warum diese göttliche Vergeltung im Falle Assyriens erst mit erheblicher Zeitverzögerung vollzogen wird. Auf diese Frage gibt der Nahum-Psalm eine indirekte Antwort: Mit dem Rekurs auf Ex 34,7 oder Num 14,18 wird die unbedingte Gewissheit göttlicher Strafverfolgung zugesichert.
Wird Nahum als Teil des Zwölfprophetenbuchs gelesen, ergeben sich neue Sinnlinien. Die Szene sexueller Gewalt gegen Ninive (Nah 3,4-7) besitzt Parallelen vor allem zum Anfang des Hoseabuchs. Wie JHWH seiner „hurerischen Ehefrau“ Israel getan hat (Hos 2,12), so verfährt er auch gegen andere (metaphorische) Frauen. Zusammen mit dem Micha-Schluss (Mi 7,18-20) gelesen ergibt sich für den Nahum-Psalm ein zweiseitiges Gottesbild, das Gottes Macht zur Vergebung (Mi 7,18-20) mit seinem Willen zur Vergeltung (Nah 1,2-3a) bzw. zum Zorn (ohne Anspielung auf Ex 34,6-7: Nah 1,3b-6) verknüpft. Die bei Nahum geschilderte göttliche Vergeltung an Assur / Ninive für das an Juda begangene Unrecht ist nicht JHWHs einzige Handlungsmöglichkeit. Innerhalb des Zwölfprophetenbuchs zeigt die Jona-Erzählung auch eine andere Option: Wenn König und Volk Ninives ihr Unrecht bereuen und Buße tun, antwortet JHWH durch die Rücknahme der zuvor angekündigten Vernichtung. (f)
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Das Habakukbuch weist in theologischer Hinsicht zwei Hauptthemen auf. Zum einen befasst sich das Buch ausgiebig mit dem Thema, dass die Gerechten unter den Frevlern leiden müssen. Habakuk geht es um die Bestrafung der Ungerechten. Zu ihr kann JHWH eine Großmacht wie die Babylonier einsetzen. Allerdings werden diese – da auch sie sich als ungerecht erweisen – ebenfalls der göttlichen Bestrafung unterzogen.
Die andere Thematik, die mit der ersten verbunden ist, stellt das Erscheinen Gottes dar. Die Theophanie (Epiphanie) ist gekoppelt mit katastrophalen Naturerscheinungen, wie z.B. einem Erdbeben. Das Erscheinen Gottes steht zudem in Verbindung mit der Bestrafung des Ungerechten: Gott kommt, um zu strafen. Aus dieser Perspektive ist die Theophanie ein schreckliches Geschehen, etwas, wovor der Prophet große Angst hat, so dass ihn Zittern überfällt. Andererseits bedeutet Gottes Erscheinen implizit das Heil für die Gerechten und ist somit ein Grund zur Freude. Deshalb schließt das Buch Habakuk mit Jubel ab (Hab 3,18-19).
Die Rezeption des Buches ist nicht besonders breit. Lediglich Hab 2,4 wird zum Teil im Neuen Testament rezipiert: in Röm 1,17; Gal 3,11 und Hebr 10,38. In den paulinischen Schriften wird das Habakuk-Zitat benutzt, um zu beweisen, dass die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, aus dem Glauben kommt und nicht aus den Werken des Gesetzes. Im Hebräerbrief wird Hab 2,4 als Begründung angeführt, dass der zum Glauben gekommene diesen Glauben auch durchhalten muss, ohne wieder zurückzuweichen. (g)
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In der jüdischen und christlichen Tradition hat sich Zefanja eingeprägt mit seiner Ankündigung des Tages JHWHs als des großen Zorntags, verstanden als eschatologisches Gottesgericht. Ein bekanntes Zeugnis für die inspirierende Kraft seiner Rede auch noch in der lateinischen Vulgata-Fassung ist der mittelalterliche Hymnus „Dies irae dies illa“. Der Hymnus wurde als sog. Sequenz in der Totenmesse des Missale Romanum von 1570-1962 verwendet. ... Das Zefanjabuch wurde in eschatologisch-apokalyptisch orientierten Kreisen des frühen Judentums gerne gelesen. Es wurde in Qumran (..) apokalyptisch auf das bevorstehende Endgericht und die Rolle der Qumran-Gemeinde in diesen letzten Tagen interpretiert. Leider sind nur sehr dürftige Ansätze der Kommentare (Pescharim) zu Zefanjatexten ... erhalten (...).
Im Neuen Testament ist das Buch Zefanja nur sporadisch in eschatologischem Zusammenhang rezipiert (... ). Die neutestamentlichen Rezeptionen des Zefanjabuches zumal in der Johannesoffenbarung erkennen demnach in der Zefanjaprophetie eschatologische Ankündigungen, deren Erfüllung noch aussteht. ... Aus frühjüdischer Zeit stammt eine Apokalypse des Zefanja, deren Endredaktion kaum vor dem Ende des 2. Jh. n. Chr liegt... Die Fragmente zeigen Unterschiede und können auf eng verwandte Zefanja-Apokalypsen zurückgehen (...). Grundthema der Texte ist das göttliche Endgericht, das Gott durch Engel ausführen lässt. Zefanja erlebt eine Himmelsreise, schaut die Belohnungen im Paradies und die Bestrafungen in der Hölle. Er zeigt, was die einzelnen Menschen nach dem Tod erleben werden. Alles dient dem paränetischen Zweck, zu Reue und Umkehr aufzurufen. An die universale Ausweitung des Zorntags Gottes im Zefanjabuch (bes. Zef 1,18; Zef 3,8) erinnert der Endzeitausblick im letzten erhaltenen Kapitel der (achmimischen) Apokalypse.
In den Synagogen der Gegenwart wird Zefanja nicht als Prophetenlesung (Haftara) im Sabbatgottesdienst verwendet. Anders war dies in der altjüdischen Synagoge. ... Kirchenschriftsteller haben auslegungsgeschichtlich bedeutsame fortlaufende Kommentierungen zum Zefanjabuch vorgelegt. ... Im lateinischen Westen hat der Zefanjakommentar des → Hieronymus (ca. 347-419/20 n. Chr.) exemplarische Bedeutung erlangt. Im Mittelalter schließen sich an Hieronymus die Kommentare .. an, der eine Fülle intertextueller Bezüge und Assoziationen zum Zefanjatext in moralisch-geistlicher Ausrichtung nennt. Verständlicherweise fanden zumal die universal gerichteten heilseschatologischen Texte in Zef 2,11 und Zef 3,8.9-10 sowie die Verheißung für den armen und demütigen „Rest Israels“ in Zef 3,11-13 bei den frühen Kirchenschriftstellern nachhaltiges Interesse..
Die Hinwendung zur hebräischen Bibel bei den Reformatoren führt zu den nicht nur theologiegeschichtlich, sondern auch philologisch und in einigen Ansätzen historisch-kritisch beachtlichen Zefanjakommentaren des Straßburger Reformators Martin Bucer (Tzephaniah 1528) und Johannes Calvins (Opera Bd. 44, 1-78). Wie bei Calvin sind es für Martin Luther vorab die Verse Zef 3,9-10 und auch Zef 2,11, die das Evangelium für die Völker ankündigen – im erkennbaren Anschluss an die Väterexegese. In neuester Zeit wurden mit guten Gründen im Buch Zefanja (besonders im Blick auf Zef 2,1-3 und Zef 3,11-13) wichtige Impulse für eine „Befreiungstheologie“ und eine „Theologie der Armen“ bzw. eine „Kirche der Armen“ erkannt (...). (h)
Quellen und Vorlagen
Soweit nicht anders angegeben sind Bibelverse wörtlich zitiert aus: Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung – revidiert 2017, © 2017, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
# als eigenständige liturgische Farbe für das Gedenken alttestamentlicher Gestalten könnte das adventliche Blau (der Erwartung) verwendet werden, wie in der schwedischen und finnischen Kirche sowie in einer Reihe amerikanischer Denominationen (z.B. Lutheraner) gebräuchlich
<ç> Der Entwurf wird in vollem Umfang vorgestellt, doch kann er entsprechend den aktuellen Corona-Regeln gestrafft werden.
[ ] durch Klammern gekennzeichnete Stücke können entfallen
a vgl. M. Josuttis, Erleuchte uns mit deinen Licht, Gütersloh 2009, S. 225
b ggf. unter Verwendung der Information zu den einzelnen Prophetenbüchern (s.u. f - h)
c Die Verwendung des Benedictus als Canticum auch in diesem Abendgottesdienst legt sich nahe, da in der ostkirchlichen Tradition Johannes der Täufer als Repräsentant des ersterwählten Gottesvolkes gesehen wird (vgl. Deisis); auch wird auf die "heiligen Propheten" ausdrücklich Bezug genommen.
d vgl. M. Josuttis, Erleuchte uns mit deinen Licht, Gütersloh 2009, S. 226 f
e vgl. Common Worship (Church of England) London 2000, S. 136
f vgl. www.bibelwissenschaft.de Artikel zu Nahum
g vgl. www.bibelwissenschaft.de Artikel zu Hebakuk
h vgl. www.bibelwissenschaft.de Artikel zu Zefania