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16. Juli 2014


Rut, die Moabiterin (blau #) - Aufgenommen in Gottes Volk

Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. (Rut 1,16)


In manchen Kirchen der Ökumene (Orthodoxie, Anglikanische Kirche in Kanada, amerikanische Lutheraner (LCA) wird nicht nur der Apostel und überzeugenden „Heiligen“ aus der Geschichte des christlichen Glaubens gedacht, sondern auch zu besonderen Tagen an herausragende Gestalten des Ersten Bundes erinnert mit dem, was von ihnen im Alten Testament (Tora, Prophetenbücher, Schriften – auch außerkanonisch) überliefert wird. Ihr Gedächtnis kann das „Thema“ für einen Wochen- Gottesdienst vorgeben. Dazu werden Vorschläge für eine abendliche Feier (Vesper) mit Elementen aus der Tagzeitenliturgie geboten


Eröffnung (Begrüßung)
Gelobt sei Gott, der HERR, der Gott Israels, der allein Wunder tut. Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich und alle Lande sollen seiner Ehre voll werden.  (Ps 72,28.29) R: Amen

Wir gedenken heute an die Moabiterin Rut, die die Hauptperson des gleichnamigen Buches im Alten Testament ist, in dem eine lehrhafte Geschichte aus der Richterzeit des Volkes Israel (um 1000 v. Chr. ) erzählt wird. Ihr Name bedeutet wahrscheinlich „Freundschaft“ bzw. „Freundin“. Als Frau eines Israeliten, der wegen einer Hungersnot nach Moab ausgewandert war, zieht Rut nach dessen Tod mit ihrer Schwiegermutter Noomi zurück nach Bethlehem, lernt dort bei der Ernte den Eigentümer Boas kennen, der sie dann heiratetet (Rut 4,13). So wird sie als Ausländerin die Großmutter des Isai und Urgroßmutter des späteren Königs David. Damit ist sie nach der biblischen Überlieferung eine Vorfahrin Jesu und wird als eine von vier Frauen im seinem Stammbaum am Anfang des Matthäusevangeliums ausdrücklich genannt. (Mt 1,5).(a)

(Lied: Was Gott tut, das ist wohl getan (EG 372,1.2.4)


(oder)

Eröffnung (Ingressus): Herr, bleibe bei uns (EG Wü 781.1)


Psalmgebet (gesprochen)

Votum:    Lobet den HERRN, alle Heiden! Preiset ihn alle Völker! Denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit. Halleluja. (Ps 117)

Psalm  146: Halleluja! Lobe den Herrn, meine Seele (EG 757)


Tagesgebet 

Beten wir in der Stille zu Gott, der uns wie Vater und Mutter ist: - Stille -

Wir danken dir, Ewiger, dass wir - ob einheimisch oder fremd - nicht Fremdlinge sind bei dir, sondern miteinander als deine Kinder leben können. Du heißt jeden und jede willkommen als deine Gäste. Sei mit allen, die ihre Heimat verlassen mussten und hilf uns im Fremden den Bruder und die Schwester zu erkennen, dass wir durch deinen guten Geist zu Frieden und Gerechtigkeit finden. So bitten wir um der Liebe deines Sohnes willen, Jesus Christus, unseres Bruders unter den Menschen, unseres Herrn für Zeit und Ewigkeit. (b)


Lesung:  Rut 4,5-13  - Verhandlung des Lösens 

oder 2,4-14 - Begegnung von Rut und Boas

oder ein anderer Abschnitt aus dem Buch Rut


Antwortgesang: Gelobt sei der Name des Herren (EG Wü 779.4)


Betrachtung 


oder Bedeutung des Buches „Rut“: (s. Anhang)


Lied: Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun (EG 497,1.2.13.14)


[ Canticum (c)

Leitvers: Der Herr hat uns aufgerichtet eine Macht des Heiles im Hause seines Dieners David.

Benedictus:  Gelobt sei der Herr, der Gott Israels (EGWü 779.6)


Fürbitten

Guter Gott. Die Erzählung über die Lebenswege von Noomi und Rut lässt uns dankbar werden über alle Führungen und Fügungen, die wir auch im eigenen Leben erkennen können. Besonders erinnern wir uns heute unserer Mütter. Wir sind froh über alle Liebe, Geborgenheit und Ermutigung, die uns durch sie geschenkt wurden und bitten dich zugleich, dass wir vergeben können, was sie an uns falsch gemacht haben oder uns schuldig geblieben sind. Wir rufen:

R: Kyrie eleison

Gib, dass keine Mutter bereuen muss, ein Kind zur Welt gebracht zu haben. Stärke alle, die an die Grenzen ihrer Kraft kommen. Lass Alleinerziehende Unterstützung und Solidarität erfahren. Bewahre altgewordene Mütter und Schwiegermütter vor Einsamkeit und Enttäuschung durch Kinder und Enkel. Wir rufen:

R: Kyrie eleison

Wir bitten um Begleitung und Hilfe für Schwangere in Konfliktsituationen, um Schutz für Schwangere in Kriegs- und Katastrophengebieten. Dein Trost sei allen nahe, die ein Kind verloren haben. Die sich vergeblich nach dem Geschenk eines Kindes sehnen, bewahre vor Verzweiflung. Wir rufen:

R: Kyrie eleison

 Gott, auf dein mütterliches Erbarmen vertrauen wir alle. Du trägst das Leben und bist der Gott der Hoffenden. Schütze die Liebenden, behüte das Glück der Kinder, schenke Achtsamkeit allen Generationen, hilf den Alten, ihre Wege im Licht deiner Barmherzigkeit anzuschauen.   (d)


Vaterunser


[ Schlussgesang: Verleih uns Frieden gnädiglich (EG 421)

oder Schalom chaverim (EG 434)


Segen

Möge der Gott von Noomi und Ruth uns befreien. Möge der Gott von Elisabeth und Maria uns stärken. Möge der Gott von Magdalena und Lydia uns Kraft geben. Und so segne uns alle der eine Gott: Vater, + Sohn und Heiliger Geist. (e)



Anhang

Bedeutung des Buches „Rut“: 

Das Buch Rut enthüllt für einen uninformierten Leser der Gegenwart erst nach und nach seine Brisanz, insbesondere wenn man die einstigen Rechtsvorstellungen im alten Israel berücksichtigt.  So ist es die Ausnützung des geltenden Armenrechtes, wenn Rut die bei der Ernte liegengebliebenen Ähren einsammelt, (vgl. Mt 12,1) um so sich und ihre Schwiegermutter zu ernähren. Noomi weiß, dass der Besitzer Boas ein Verwandter ist, und empfiehlt der Rut, sich beim abschließenden Erntefest des Nachts auf die Tenne zu Boas zu begeben. Dieser erkennt die Situation und entlässt sie zunächst mit einer reichlichen Gabe und der Zusage, dass er die Verhältnisse rechtlich klären will. Das geschieht in der berühmten Gerichtsszene (Kap 4) (die gelesen wurde). Dort geht es zunächst um den Rechtsvorrang eines nicht namentlich genannten »Lösers«, der anfangs den von Noomi herkommenden Erbbesitz »lösen« will, jedoch verzichtet, als er erfährt, dass er zugleich mit Rut die sogenannte Schwagerehe (Leviratsehe) eingehen müsste. Sinn dieser Rechtsinstitution (vgl. Dtn 25,5 ff.) war es, mit Rut einen Nachkommen zu zeugen, der als Sohn ihres verstorbenen Mannes gelten und dem schließlich auch der Erbbesitz wieder zufallen würde. Dieser (an erster Stelle stehende) Löser verzichtet daher auf sein Recht bzw. seine Pflicht, die nun Boas übernimmt. Boas heiratet Rut und zeugt mit ihr einen Sohn. Noomi nimmt sich in besonderer Weise ihres Enkels an. Das Kind erhält den Namen Obed, interessanterweise von den um Noomi versammelten Nachbarinnen. Insbesondere wird vermerkt, dass Obed der Großvater des großen israelitischen Königs David war.  Die Moabiterin Rut kam somit durch ihre Treue zu Noomi und durch ihre Verehrung für den Gott Israels einerseits und durch die gute Führung Gottes andrerseits nicht nur zu einer neuen gesicherten Existenz, sondern sie wurde sogar die Urgroßmutter des größten israelitischen Königs. - Die Historizität der Geschichte ist ebenso wie ihr Alter umstritten und wird es wohl auch bleiben. Wichtiges Argument für eine späte, d.h. nachexilische Datierung sind sprachliche Beobachtungen. Für eine frühere Datierung, (vorexilisch in die israelitische Königszeit, etwa vor 600 v.Chr.) spricht das Argument, dass man schwerlich dem großen König David eine ausländische Großmutter angedichtet hätte, zumal nach der Zeit Davids jahrhundertelang Konflikt mit den Moabitern bestand und das Königsgesetz (Dtn 17) einen Israeliten als König forderte, darüber hinaus das deuteronomische Gesetz die Aufnahme der Moabiter in das Volk Israel verbot (Dtn 23,4). - Dem wird entgegengehalten, das mit der Rutgeschichte gerade gegenüber restriktiven und ausländerfeindlichen Tendenzen der nachexilischen Zeit (vgl. Esra und Nehemia) darauf hingewiesen wird, dass an der Herkunft Davids - und damit letztlich auch des Messias - auch ausländische Frauen beteiligt waren. Jedenfalls konnte man das Buch Ruth - unabhängig von der Zeit seiner Entstehung - in der nachexilischen Zeit in diesem Sinn verstehen - In der jüdischen Überlieferung wurde das Buch in verschiedener Weise aktualisiert und korrigiert. Josephus tilgte (so wie die rabbinischen Ausleger) den erotischen Aspekt der Szene auf der Tenne, andererseits entfaltete er den Aspekt der göttlichen Führung und der Erhöhung aus Niedrigkeit. In der aramäischen Übersetzung und der rabbinischen Überlieferung wird die Übereinstimmung der Handlungen aller Beteiligten mit dem jüdischen Gesetz betont. Außerdem werden zusätzliche Verbindungen zur alttestamentlichen Geschichte hergestellt und Rut wird, sozusagen standesgemäß, zur Tochter des moabitischen Königs aufgewertet. - In der christlichen Auslegung dagegen wurde die Ausländerin Rut als Hinweis auf die Kirche auch aus den Heiden verstanden. Dass im Stammbaum Jesu im Matthäusevangelium Rut neben den Frauen Thamar, Rahab und Bathseba genannt wird, ist wahrscheinlich ebenfalls bereits ein Hinweis auf die universale Herkunft und damit auch Bedeutung Jesu.  - In der neueren feministischen Auslegung des Buches werden besonders das Ausbrechen Ruts aus den traditionellen Rollen und Verhaltensweisen einer Witwe, das gute Verhältnis der beiden Frauen und ihre Initiativen positiv hervorgehoben. Kritisch vermerkt wird, dass die Erzählung am Schluss stark in traditionelle  Rollenbilder einmündet und in der Schlussszene Rut zugunsten der Noomi und sogar der Nachbarinnen ganz übergangen wird. (f)



Quellen und Vorlagen

Soweit nicht anders angegeben sind Bibelverse wörtlich zitiert aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

# Als eigenständige liturgische Farbe für das Gedenken alttestamentlicher Gestalten könnte das adventliche Blau (der Erwartung) verwendet werden, wie es in der schwedischen und finnischen Kirche sowie in einer Reihe amerikanischer Denominatonen (z.B. Lutheraner) gebräuchlich ist. (Es kann Farbe der Kirchenjahreszeit ersetzt werden.)

a vgl. Ökumenisches Heiligenlexikon zu Ruth www.heiligenlexikon.de

b vgl. Württembergisches Gottesdienstbuch I, Stuttgart 2004, S. 310, Nr. 8

c Die Verwendung des Benedictus als Canticum auch in diesem Abendgottesdienst legt sich nahe, da in der ostkirchlichen Tradition Johannes der Täufer als Repräsentant des ersterwählten Gottesvolkes gesehen wird (vgl. Deisis).

d vgl. Reformierte Liturgie, Wuppertal 1999, S. 269

e vgl. Sinfonia Oecumenica, Gütersloh/Basel 1998, S. 630

f vgl. Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon zu Ruth(gekürzt): www.bautz.de/