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24. Mai 2015


Königin Ester, die Tochter Abihails (blau #)

Haltet jährlich die Tage, an denen die Juden zur Ruhe gekommen waren vor ihren Feinden, und den Monat, in dem sich ihre Schmerzen in Freude und ihr Leid in Festtage verwandelt hatten, dass sie diese halten sollten als Tage des Festmahls und der Freude und einer dem anderen Geschenke und den Armen Gaben schicke. (Ester 9,22.23)


In manchen Kirchen der Ökumene (Orthodoxie, Anglikanische Kirche in Kanada, amerikanische Lutheraner (LCA) wird nicht nur der Apostel und überzeugenden „Heiligen“ aus der Geschichte des christlichen Glaubens gedacht, sondern auch zu besonderen Tagen an herausragende Gestalten des Ersten Bundes erinnert mit dem, was von ihnen im Alten Testament (Tora, Prophetenbücher, Schriften) überliefert wird. Ihr Gedächtnis könnte das „Thema“ für einen Wochen-Gottesdienst abgeben. Dazu werden Vorschläge für eine abendliche Feier mit Elementen aus der Tagzeitenliturgie geboten.



Eröffnung (Begrüßung)

Gelobt sei Gott, der HERR, der Gott Israels, der allein Wunder tut. Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich und alle Lande sollen seiner Ehre voll werden. (Amen.) (Ps 72,28.29) R: Amen.

Wir gedenken in dieser Woche der Königin Ester, die auch den Namen Hadassa trägt und die Hauptfigur des gleichnamigen Buches im Alten Testament ist, das auf Grund historischer Erinnerungen an die drohende Vernichtung während der Perserzeit entstand. Sie war eine Adoptivtochter und Nichte des Juden Mordechai in Susa - heute Ruinen bei Shush im Iran. Sie wurde Gattin des Perserkönigs Assuerus (Artaxerxes, Xerxes I., Ahasver - er regierte 485 - 465 v. Chr.), nachdem dieser seine Frau Vasthi verstoßen hatte. Durch ihren mutigen Einsatz bei ihrem Mann rettete sie ihr jüdisches Volk vor der Vernichtung, die der Großwesir Haman schon geplant hatte. "Dank der Vortrefflichkeit der königlich- persischen Postreiter, die ... in alle Provinzen des Reiches ausschwärmten, konnte die Zustimmung des Königs zum Judenmord noch rechtzeitig widerrufen werden. Die Juden erhielten nun ihrerseits die Erlaubnis, sich an ihren Feinden zu rächen, was eine Bilanz von fünfundsiebzigtausend getöteten Nichtjuden ergab - kein besonders glückliches Ende dieser ansonsten so exemplarischen Moralgeschichte, auf die der Ursprung des jüdischen Purimfestes zurückgeführt wird."( (a) „Purim, ein freudiger Gedenktag, dessen Beachtung nicht biblisch vorgeschrieben ist, wird am 14. Adar (bzw. Adar II) zur Erinnerung an die Errettung der Juden in Persien gefeiert.... Als Besonderheit des synagogalen Rituals ist vor allem zu erwähnen, dass sowohl nach dem Abendgebet als auch morgens nach der Toravorlesung das Buch Esther gelesen wird. Für das auch heute noch eine handgeschriebene Pergamentrolle verwendet wird. Bereits im Buch Esther wird von der Festlegung berichtet, dass der Freude über die Rettung durch ein Festmahl, durch gegenseitiges Beschenken mit Speisen und durch Spenden für die Armen Ausdruck verliehen werden soll. An Purim ist es erlaubt, viel zu trinken, sogar sich zu betrinken, denn im Buch Esther ist das Mahl, das man zur Erinnerung an das Ereignis einnehmen soll, als Trinkgelage bezeichnet.

Es gibt für Purim eine große Anzahl von Bräuchen, die allerdings lokal sehr verschieden sind. Verbreitet sind karnevalistische Vergnügungen, besonders die Kostümierung von Kindern, die Aufführung von dramatischen Purimspielen, die meist die Esthergeschichte zum Inhalt haben, aber auch andere biblische Ereignisse behandeln. In der Gegenwart sind in unserem Raum vor allem einige kulinarische Spezialitäten üblich: die sogenannten Hamantaschen und „Kreppchen“.... Beide Speisen symbolisieren die Ohren des Bösewichts Haman. Solche Spezialitäten und andere, meist selbstgefertigte Leckereien werden auch Freunden und Bekannten als Geschenke übersandt bzw. überbracht. „] (b)


oder Eröffnung (Ingressus): Herr, tue meine Lippen auf  (EG Wü 779.1)


Psalmodie (gesungen)

Leitvers: Erbarme dich meiner, Herr, und vernimm die Stimme meines Flehens

Psalm 91: Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt (EG Wü 782.4)


oder Psalmgebet (gesprochen)

Votum: HERR, lass sich freuen alle, die auf dich trauen; ewiglich lass sie rühmen, denn du beschirmst sie. Fröhlich lass sein in dir, die deinen Namen lieben. Denn du, HERR, segnest die Gerechten, du deckst sie mit Gnade wie mit einem Schilde. ( Ps 5,12.13)

Psalm 57: Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig (EG 728)


Tagesgebet (Psalmkollekte)

Beten wir in der Stille zu Gott, der Schutz und Schirm ist für die Seinen :- Stille - 

Wenn wir frei kommen aus Gefährdung und Unterdrückung, Gott, dann ist es Grund zur Fröhlichkeit und zum Dank, fast überschäumend kann unsere Freude werden. Einst hast du durch den Mut der Ester dein Volk vor der Vernichtung bewahrt und immer wieder erweist du dich als Anwalt der Bedrohten. So wollen wir die Erinnerung dessen, vor dem wir bewahrt sind, nicht vergessen und unser Glück auch mit denen teilen, die arm und bedürftig sind. Mache uns selbst zu Verbündeten des Lebens, den Menschen zum Heil und dir zur Ehre, jetzt und alle Tage bis zur Vollendung in deiner Ewigkeit. (c)


Lesung aus dem Alten Testament:  Ester 7,1-7 - Entlarvung des Haman durch Esther


Antwortgesang: In deine Hände, Herre Gott (EG 782.7)


[ Lesung aus dem Neuen Testament: 2. Thessalonicher 1,3-10 - Bedrängnis der Gemeinde und Gottes Gericht


[ Antwortgesang: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte  (EG 781.3)


Betrachtung (d)


Lied: Erhebet er sich unser Gott (EG 281,1-3)

oder Wo Gott der Herr nicht bei uns hält (EG 297 in Auswahl)


[ Canticum (e)

Leitvers: Der Herr hat uns aufgerichtet eine Macht des Heiles im Haus seines Dieners David.

Benedictus: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels  (EGWü 779.66)

 

Fürbitten

(Wir beten mit Worten aus dem Buch Jesus Sirach:)

Herr, erbarme dich über dein Volk, das von dir den Namen hat, und über Israel, das du einen Erstgeborenen genannt hast. Wir rufen:

R: Kyrie eleison.

Erbarme dich über die Stadt Jerusalem, wo dein Heiligtum ist und wo du wohnst. Wir rufen:

R: Kyrie eleison.

Erfülle Zion mit deiner Majestät und dein Volk mit deiner Herrlichkeit. Wir rufen:

R: Kyrie eleison.

Bekenne dich zu denen, die von Anfang an dein Eigentum gewesen sind; und erfülle die Verheißungen, die in deinem Namen verkündigt worden sind. Wir rufen:

R: Kyrie eleison.

Lohnes es denen, die auf dich warten, damit das Wort deiner Propheten bestätigt wird. Wir rufen:

R: Kyrie eleison.

Nach dem Segen Aarons über dein Volk erhöre, Herr, das Gebet derer, die dich anrufen, damit alle, die auf Erden wohnen, erkennen, dass du der Herr bist, der ewige Gott. Wir rufen: (f)

R: Kyrie eleison.  


Vaterunser


[ Schlussgesang: Verleih uns Frieden gnädiglich (EG 421)

oder Schalom chaverim (EG 434)


Segen

Gott sei uns gnädig und segne uns,

[R:] er lasse uns sein Antlitz leuchten,

dass man auf Erden erkenne seinen Weg

[R:] unter allen Völkern sein Heil. (Ps 67,1.2)

oder

Der HERR wird seinem Volk Kraft geben; der HERR wird sein Volk segnen mit Frieden. (Ps 27,11)

R: Amen.


Anhang


Betrachtung (zum Purim-Fest)

Obwohl Purim vor allem für die Kinder ein sehr fröhliches Fest ist, (z.B. dürfen die Kinder neben ihrer Verkleidung während der gottesdienstlichen Verlesung der Ester-Rolle bei jeder Erwähnung Hamans Lärm machen mit dafür bestimmten Rasseln), soll auch die drohende Vernichtung in Erinnerung bleiben und die Freude des Festes ein wenig relativieren. Dies geschieht mittels Erinnerung an eine andere, frühere Erfahrung in der jüdischen Geschichte. So heißt der Schabbat vor Purim Schabbat Sachor, Sabbat "Gedenke" - "Gedenke, was dir Amalek getan hat.." ...(5.Mose 25,17-19). Der Sinn der Hinzufügung liegt auf der Hand. Wenn Purim gefeiert wird und man sich der von Haman geplanten Vernichtung in Persien erinnert, soll auch an jenen Versuch der Amalekiter gedacht werden, die Israeliten nach der Befreiung aus Ägypten zu dezimieren.

Das gesamte Buch Ester - das ja von der Errettung der Juden in Persien berichtet - enthält kein einziges Mal den Namen Gottes. Deutlich kommt damit die historisch-politische Dimension in den Blick. Eine religiöse Interpretation ist erlaubt, jedoch vom biblischen Text selbst nicht vorgegeben. Situationen der Bedrohung wiederholen sich in Israels Geschichte immer wieder - in anderen Formen, zu anderen Zeiten, in anderen Ländern." (g)



Quellen und Vorlagen

Soweit nicht anders angegeben sind Bibelverse wörtlich zitiert aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

# als eigenständige liturgische Farbe für das Gedenken alttestamentlicher Gestalten könnte das adventliche Blau (der Erwartung) verwendet werden, wie es in der schwedischen und finnischen Kirche und in einer Reihe amerikanischer Kirchen (z.B. Lutheraner) gebräuchlich ist 

[ ] Durch Klammern gekennzeichnete Stücke können entfallen

a vgl. P.Calvocoressi, Who is who in der Bibel, Stuttgart 1993, S. 71

b vgl. www.zentralratdjuden.de - Artikel Purim

c vgl. Reformierte Liturgie, Wuppertal 1999, S. 619

d Betrachtung zum Purim-Fest s. Anhang oder eine andere Betrachtung

e Die Verwendung des Benedictus als Canticum auch in einem Abendgottesdienst legt sich nahe, da in der ostkirchlichen Tradition Johannes der Täufer als Repräsentant des ersterwählten Gottesvol- kes gesehen wird (vgl. Deesis).

f Jesus Sirach 36,14-19

g vgl. z.B. Bibel in gerechter Sprache, Gütersloh,2006, Einleitung zum Buch Ester, S. 1346

oder  www.hagalil.com/judentum/feiertage/purim