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9. /10. Mai  2010


Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700 - 1760) (rot/weiß)  „Herold der Jesusliebe“

Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. Joh 13,35


Aus Anlass des 250sten Todestages: Vorschlag für einen abendlichen Gottesdienst (Vesper) mit Elementen aus der Tagzeitenliturgie nach  dem Evangelischen Gesangbuch. Durch einen Stern * gekennzeichnete Stücke können entfallen. 



(Vorspiel)


Eröffnung (Hinführung)

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen, (mit uns allen). (a) R. Amen.

Wir denken in der Gemeinschaft des Glaubens während dieser Tage an Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, der vor 250 Jahren, am 9. Mai 1760 verstorben ist. Geboren wird der dem Hochadel entstammende Graf im Jahr 1700 in Dresden. Prägend ist sicher die frühe Jugend, in der er bei seiner Großmutter aufwuchs, von der er später sagt: „Sie wusste keinen Unterschied zwischen der katholischen, lutherischen und reformierten Religion, sondern was Herz hatte und an sie kam, das war ihr Nächster.“ Ebenso wichtig werden die Jahre als Schüler am Königlichen Pädagogium von August Hermann Franke in Halle, der wohl fortschrittlichsten Schule seiner Zeit. Hier trifft er auf Menschen aus aller Welt, Diplomaten wie Flüchtlinge. Die Weite der Welt, die Vielfalt der Menschen, tun es ihm an. Bis zu den Eskimos treibt er später die Mission, war selbst in Nordamerika, dem Baltikum oder Westindien für Mission unterwegs. Auch wird Zinzendorf einer der ersten, die die ökumenische Idee praktizieren. Da für ihn ein Studium der Theologie tabu war, ihm auch „die pietistischen Grimassen abgewöhnt werden“ sollten, beginnt er mit einem Jurastudium an der Universität Wittenberg. Doch seine weitere Entwicklung (von der wir später noch hören werden) wird anders verlaufen. Heute ist er uns nicht als Jurist bekannt. Zinzendorf, das ist Musik (hat er doch mehr als 2000 Lieder gedichtet), ist Mission und Herrnhuter Brüdergemeine. (b)


* Ingressus: Herr bleibe bei uns (EG 785.1)


* Luzernar: Von der Osterkerze her oder einer hereingetragenen Kerze aus werden alle Lichter in der Kirche entzündet.


Lied (zum Einzug des Lichtes): Herz und Herz vereint zusammen (EG 251,1(5)6.7)


* Dank über dem Licht (Benediktion)

L: Der Herr sei mit euch.

G: Und mit deinem Geiste.

L: Lasst uns danksagen und Gott preisen

G: Das ist würdig und recht.

Gepriesen seist du, Gott, ewige Güte, /

Grund allen Lebens, König der Welt, /

+ Du suchst und du findest uns.

Am Anfang hat du das Licht aus der Finsternis gerufen; /

In der Fülle der Zeit bist du erschienen in Christus, dem Licht der Welt /

und vom Feuer des Geistes entzündet, hast du die Apostel berufen, /

+ dich zu bezeugen bis an die Enden der Erde.

Du hast zu allen Zeiten und an vielen Orten /

deiner Kirche Männer und Frauen geschenkt,

+ in deren Leben das Licht deiner Liebe uns leuchtet;

wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren ist /

+ und ihnen durch den Glauben geholfen ward.

Das Beispiel ihres Wirkens weist auch uns den Weg. /

So erleuchte uns Augen und Herz, /

+ dass wir erkennen, wozu wir berufen sind.

Über allem aber lass uns schauen unsere Hoffnung in Christus Jesus, 

deinem Sohn, dem Abglanz deiner Herrlichkeit, /

+ der mit dir im Heiligen Geist lebt und wirkt in Ewigkeit. (c)


Psalmodie (gesungen)  

Leitvers:  Der Herr ist mein Hirte, mir wird nicht mangeln

Psalm  23: Er weidet mich auf einer grünen Aue (EG Wü 783)  


oder

Psalm (gesprochen)

Votum: Das ist gewisslich wahr und und ein Wort des Glaubens wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen. (1. Tim 1,15) Er ist uns von Gott gemacht zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung. (1. Kor 1,30) (d)

Psalm 96: Singet dem Herrn ein neues Lied (EG 738)


* Tagesgebet

Beten wir (in der Stille) zu Gott, in der Hoffnung auf Jesus, unsern Erlöser:

Herr, gib Frieden in aller Welt und nimm dich deiner armen Kirche an, hier und an jedem Ort. Wir bitten dich für alle, denen wir verbunden sind und deren Heil und Wohlergehen uns am Herzen liegt. (Stille)  Habe acht auf die ganze Herde und auf alles, was wir vor dich bringen. Vergiss auch niemanden, den wir vergessen. Dein Auge leuchte über alle, die deiner Gnade bedürfen. Wir berufen uns auf dein Wort: Ihr sollt mein Antlitz suchen. Darum kommen wir zu dir. Lass uns über unserer Hoffnung nicht zuschanden werden, so bittn wir um deiner ewigen Verheißung willen, in Christus Jesus, unserem Herrn. (e)

Lesung: Apostelgeschichte 8,27-38 - Der Kämmerer aus Äthiopien


* Responsorium: Weise mir, Herr, deinen Weg (EG Wü 779.3)

oder: Herr, dein Wort, die edle Gabe (EG 198,1)

Evangelium: Johannes 13,13-16.34.35 ... dass ihr euch untereinander liebt


* Responsorium: Ich suche dich, Herr, von ganzem Herzen (EG Wü 780.5)

oder: Gelobet seist du, Jesu Christ, dass du ein Mensch geboren bist (EG 350,(1)4.5)


Betrachtung (Auslegung  oder Vita (f) oder Würdigung)


Hymnus:  Wir wolln uns gerne wagen (EG 254,1-4)


* Canticum

Leitvers: Christus, unsern Heiland, ewigen Gott, Marien Sohn...

Magnificat: Meine Seele erhebt den Herren (EG 785.6)

Lobgebet

Gelobt seist du, der du thronst über den Cherubim und siehst in Gnaden auf das Niedrige. - Lobet den Herr alle seine Werke, preiset und rühmet ihn ewiglich!

G: Rühmet ihn ewiglich!

Himmel und Erde, Feuer und Wasser, Sonne und Mond, alle Sterne am Himmel, Regen und Tau, Reif und Schnee, Hitze und Kälte, Luft und Wind, Blitz und Wolken, Tag und Nacht, Licht und Finsternis, Berge und Hügel, preiset den Herrn!

G: Preiset den Herrn!

Alles, was aus der Erde wächst, und was im Wasser sich regt; alle Vögel unter dem Himmel, alle wilde und zahme Tiere, lobet den Herrn!

G: Lobet den Herrn!

Alle seine Heerscharen, lobet ihn! Ihr Engel des Herrn, lobet ihn, preiset und rühmet ihn ewiglich!

G: Rühmet ihn ewiglich!

Ihr Heiligen, seine Elenden und Schwachen (Blöden), erhebet den Herrn!

G: Erhebet den Herrn!

Ihr Knechte und Mägde des Herrn, dienet ihm mit Freuden, und rühmet ihn ewiglich!

G: Rühmet ihn ewiglich!

Ihr Gemein(d)en des Herrn, freuet euch sein (und was Israels rechter Art, der aus dem Geist gezeuget ward), freuet euch sein, und lobsinget ihm ewiglich!

G: Lobsinget ihm ewiglich.

Denn er hat uns erlöst vom bösen Feind, er hat uns selig gemacht von unsern Sünden und hat uns errettet aus vieler Gefahr (Fährlichkeit). - Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.

G: Seine Güte währet ewiglich.

Ihr Geister und Seelen der Gerechten, lobet den Herrn aller Herren, preiset und rühmet ihn, dass seine Güte währet ewiglich.

G: Seine Güte währet ewiglich.

Und ewig währe die Freude und ihm die Ehre. Wir preisen seinen Namen und sprechen mit Herz und Mund, denn seine Güte währet ewiglich. (g)

G: Seine Güte währet ewiglich.


oder

Fürbitten

Du, ewiger Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, du Herr aller Herren.  Du hast hast uns gesegnet durch Christus mit himmlischen Gütern und hast uns in seiner Liebe dazu berufen, als deine Kinder zu leben. Leite deine ganze Kirche, dass das Wort vom Kreuz sich ihr als deine Kraft erweise. Sende treue Arbeiter in deine Ernte. Bewahre alle Bischöfe, Hirten und Diener der Kirche und gib deinen Geist zu ihrem Wirken. Lass die Einheit deiner Kirche offenbar werden als ein Zeugnis deiner Liebe. Schaffe Raum deinem Wort, dass alle Welt dich erkenne. (Wir rufen:)

R: Erhör uns, lieber Herr und Gott. 

Du willst, dass die Menschen miteinander in Frieden leben, lass allen Völkern deinen Willen kund werden, dass sie danach tun. Wehre allem Krieg und Blutvergießen. Lass alle Welt erkennen, dass wir von deinem Erbarmen leben. Lenke die Herzen derer, denen Macht über die Völker gegeben ist, dass sie mit Ernst und Geduld den Frieden fördern und halten. Hilf allen Völkern zu einer gerechten Ordnung ihres Lebens, dass sie sich des Friedens und wahrer Freiheit erfreuen und auch deine Gemeinde dir ungehindert dienen kann. Lehre uns der Stadt Bestes suchen. Steure dem Hass und der Zwietracht und pflanze Gerechtigkeit, Wahrheit und Liebe. (Wir rufen:)

R: Erhör uns, lieber Herr und Gott.  

Lass uns in Ruhe und Frieden unserer Arbeit nachgehen. Behüte uns alle vor Katastrophen. Segne die Fruchtbarkeit der Erde. Gib allen Menschen ihr tägliches Brot. Lass es redlich unter uns zugehen. An unseren Arbeitsplätzen hilf, uns einander zu achten. Segne alle ehrlich Arbeit und mach uns treu in unseren Berufen. Mach uns bereit, wohlzutun und mit anderen zu teilen.  (Wir rufen:)

R: Erhör uns, lieber Herr und Gott.  

Beweise dich als ein Gott des Friedens. Wehre aller Lieblosigkeit. Ordne das Leben aller Glieder deiner Gemeinde. Mache jeden und jede gewiss auf dem Weg, den du sie führst. Segne die Ehen. Lass die Kinder aufwachsen in Vertrauen und Geborgenheit. Schenke dem Bemühen um Erziehung und Unterweisung Gedeihen. Bewahre allen, die in Anfechtung und Zweifel geraten, den Glauben. Hilf dazu, auch in Widrigkeiten sich zu dir zu bekennen. Lass uns wachsen in deiner Gnade und Erkenntnis. Gieße aus deinen Heiligen Geist über dein ganzes Volk. (Wir rufen:)

R: Erhör uns, lieber Herr und Gott.  

Hilf allen, die in Not und Gefahr sind. Behüte die Reisenden. Tröste alle Bekümmerten und Angefochtenen. Sei den Einsamen nahe und unterstütze die altgewordenen Menschen. Umsorge die arm, verlassen und hilflos sind. Besuche die Gefangenen. Befreie, die unschuldig gefangen sind. Stärke, die Verfolgung leiden. Lass uns deinen väterlichen Willen annehmen. Pflege die Kranken. Nimm die Sterbenden auf in deinen Frieden. Werde allen Menschen ihr Heiland. Erbarme dich deiner ganzen Schöpfung, denn du hast alles durch dich versöhnt mit dir selber, es sei auf Erden oder im Himmel. (Wir rufen:)

R: Erhör uns, lieber Herr und Gott.  

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen und bereite uns zu einem getrosten Heimgang. Erhalte uns mit der ganzen vollendeten Gemeinde in ewiger Gemeinschaft. Lass uns dereinst bei dir zusammen ausruhen von unserer Arbeit, dass wir in deinem Reich dich rühmen und dir dienen in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit. (Wir rufen:) (h)

R: Erhör uns, lieber Herr und Gott.  

  

Vaterunser

* Schlusswort

Dem Lamm, das geschlachtet ist und uns erkauft hat aus allen Nationen der Erde; dem Herrn, der sich unsere Seelen erworben hat; dem Freund, der uns geliebt und befreit hat von den Sünden; dem Heiland, für uns gestorben, auferstanden und aufgefahren ist, (dem untertan sind die Engel und alle Gewalten und Kräfte) dem sei Ehre zu aller Zeit in der Gemeinde, die auf ihn wartet und die um ihn her ist. (i)

Und nun lasst uns bleiben in ihm, damit wir, wenn er offenbart wird, Zuversicht haben und nicht zuschanden werden vor ihm, wenn er kommt. (vgl. 1. Joh 2,28) 


Ausgang (Lobpreis und Segen ) (EG 785.11)


(Nachspiel)

*

Vita

Nikolaus Ludwig Reichsgraf von Zinzendorf, aus einer Familie stammend, die um ihres evangelischen Glaubens willen Österreich hatte verlassen müssen, von seiner Großmutter erzogen, die stark vom Pietismus des Philipp Jakob Spener geprägt war, begegnete als Schüler in Halle Missionaren der seit 1706 in Indien tätigen Mission, was in ihm den - für eine adelige Familie von Militärs und  Hofbeamten   „unmöglichen“ - Wunsch weckte, selbst Missionar zu werden. Nach dem Besuch der weiterführenden Schule studierte er darum 1716 bis 1719 in Wittenberg Rechtswissenschaft und wurde 1721 Hof- und Justizrat in Dresden. 1722 heiratete Zinzendorf eine gleichfalls vom Pietismus geprägte Frau und kaufte von seiner Großmutter das Gut Berthelsdorf. Auf diesem Gut bot er im Herbst 1722 Religionsflüchtlingen aus der Böhmischen Brüderkirche eine Zuflucht und nannte ihren Siedlungsplatz “Herrenshut”, woraus dann Herrnhut wurde: “Unter dem Hut des Herrn”. Weitere Flüchtlinge aus Mähren kamen hinzu, später auch sächsische Lutheraner, die mit der katholischen Obrigkeit in Konflikt geraten waren. Nach dem Tod seiner Großmutter konnte Zinzendorf 1727 seinen Beruf aufgeben und sich ganz der inwischen auf 300 Menschen angewachsenen Kolonie widmen. Zwischen den verschiedenenen Gruppen dort gab es erhebliche Spannungen, die am 13. August 1727 auf wundersame Weise durch eine gemeinsame Abendmahlsfeier bei Pfarrer Johann Andreas Rothe aufgehoben wurden; nach dieser “Erweckung” war der Streit verflogen.

Zinzendorf erarbeitete nun eine Ordnung für die Brüderemeine. Jeder Tag begann mit einer Morgenandacht und endete mit einer Singstunde, am Sonntag gab es den Gemeindegottesdienst. Neue liturgische Formen wie Liebesmahle, Fußwaschung, Stundengebete rund um den Tag oder Nachtwachen wurden praktiziert; in diesem Zusammenhang entstanden 1728 auch die “Herrnhuter Losungen”, erstmals für den 4. Mai dieses Jahres. Mit einer Vielzahl von Laienämtern wurde das allgemeine Priestertum gestaltet, aber dennoch die Gemeinde in die lutherische Landeskirche integriert. Auffallend war die starke Stellung der Frauen, es gab “Ältestinnen”, Lehrerinnen, Aufseherinnen u.a. Auch von der dritten Person des dreieinigen Gottes redete Zinzendorf in weiblicher Form als “Geistin”. Bemerkenswert auch Zinzendorfs Aufforderung, den Juden “ungemeine Hochachtung” entgegenzubringen, wie er in einer eigens zur Bekämpfung des Judenhasses verfassten Schrift betonte.

Bei den Feierlichkeiten zur Krönung des neuen Königs lernte er 1731 in Kopenhagen einen Kammerdiener kennen, der von der Karibikinsel St Thomas stammte und ihm vom Sklavenleben seiner Verwandtschaft berichtete; ihn lud er ein nach Herrnhut, er schärfte das Augenmerk der Gemeinschaft für die Aufgaben der weltweiten Mission, die ein Hauptanligen der Brüdergemeine wurde. Im Jahr darauf wurden die ersten Missionare auf diese Karibikinsel ausgesandt, wo sie die Missionsstation Neu-Herrnhut gründeten.

1732 wurde Zinzendorf aus Sachsen ausgewiesen, weil er dem Kaiser, dem König von Böhmen, Untertanen entfremde und ihnen zur Flucht verhelfe. 1733 besuchte er Württemberg auf der Suche nach einer neuen Bleibe für seine Gemeinde, traf Friedrich Christoph Oettinger, der vorher schon Herrnhut besuchte hatte, und Johann Albrecht Bengel, dessen Berechnung des bevorstehenden Weltendes und Beginn des 1000-jährigen Reiches auf das Jahr 1836 allerdings Zinzendorfs Befremden hervorrief. Bengel seinerseits verfasste eine Streitschrift gegen die Duldung der “so genannten Brüdergemeine” in Württemberg. Nachdem er 1734 in Stralsund sein theologisches Examen abgelegt hatte, wurde er bei einem weiteren Besuch in Württemberg von der Theologischen Fakultät in Tübingen als “freier Prediger” zugelassen. 1737 wurde er vom Enkel von Johann Amos Comenius, dem Oberhofprediger und Bischof eines in Berlin überlebenden Zweiges der Böhmischen Brüderkirche, Daniel Ernst Jablonski, in Berlin zum Bischof der Herrnhuter Brüdergemeine geweiht.

1736 folgte seine zweite Ausweisung aus Sachsen, Zinzendorf verlegte die Gemeindearbeit nach der Ronneburg in der Wetterau, nach Schloss Marienborn und nach Herrnhaag. 1739 reiste er zu seinen Missionaren in die Karibik, es folgten Reisen und Missionsarbeit im Baltikum, in Westindien und in Nordamerika, dort wirkte er 1741 bis 1743 als Missionar unter Indianern. Als 1747 die Verbannung aufgehoben wurde, konnte Zinzendorf nach Herrnhut zurückkehren, bleib aber nur kurz. 1748 ging er nach England, wo sich ebenfalls eine Brüdergemeine gegründet hatte, ab 1751 lebte er ganz in London und kam erst 1755 nach Herrnhut zurück. 1756 starb seine Frau, die ihm unentbehrliche Mitarbeiterin gewesen war und 12 Kinder geboren hatte, von denen nur vier das Kindesalter überlebten. Bei seinem Tod waren Mitglieder der Brüdergemeine an 28 Orten weltweit missionarisch tätig.

Schon als Student in Wittenberg hatte Zinzendorf Gedanken zur Versöhnung von Pietismus und orthodoxen Lutheranern entwickelt, die er später, unter dem Eindruck einer Studienreise ins katholische Frankreich und die reformierten Niederlande ausweitete zu einem Programm zur Versöhnung aller Konfessionen. In deren Vielheit und Mannigfaltigkeit sah er “eine der tiefsten Absichten Gottes”. Die Unterschiede sollten deshalb erhalten bleiben, aber das Zusammenwirken auf der Grundlage der Heiligen Schrift “Brudercharakter” bekommen. Karl Barth zufolge war Zinzendorf “der erste, ganz von der Sache aus denkende und redende Ökumeniker”. Für die Mission orientierte sich Zinzendorf am biblischen Vorbild des Kämmerers aus Äthiopien (Apostelgeschichte 8, 26 - 39) und des römischen Hauptmanns Cornelius. Bei beiden habe der Heilige Geist schon vor der Begegnung mit ihren Täufern gewirkt; entsprechend sollten Missionare sich an jene wenden, bei denen sie Empfänglichkeit für die Botschaft des Evangeliums erspüren, man könne niemand mit Gewalt bekehren. Grundlage jeder Mission sei das Gebet Jesu im Garten Gethsemane, wo er sich freiwillig für den Weg der Erlösung durch seinen stellvertretenden Tod am Kreuz entschloss (Matthäusevangelium 26, 36 - 46). Inhalt der Missionspredigt müsse die Botschaft von Jesus Christus sein - eine allgemeinde Gottesvorstellung habe ja jeder Mensch ohnehin, wie schon Paulus erkannte (Römerbrief 1, 19). Auch jegliche “Morallehre” sei unangebracht - es gehe nicht darum, die Menschen auf eine höhere Kulturstufe zu heben, sondern allein um das Evangelium.

Zinzendorf hat mehr als 2000 Lieder verfasst, singen war für ihn eine emotionale und Gemeinschaft stiftende Übung; das Evangelische Gesangbuch enthält heute fünf von ihm getextete Lieder, darunter “Herz und Herz vereint zusammen” (EG 251) und der Klassiker “Jesu, geh voran” (EG 391). Bekannt ist die bis heute in Herrnhut und weltweit lebendige Herrnhuter Brüdergemeine vor allem durch ihre Missionstätigkeit und durch die “Herrnhuter Losungen”, einer Sammlung von Bibelversen für jeden Tag eines Jahres.(k)



Quellen - Erläuterungen

Soweit nicht anders angegeben sind Bibelverse wörtlich zitiert aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

a Singfassung: EG Wü 570

b vgl.  www.elk-wü.de - Gedenktage 2010

c vgl. Evangelisches Tagzeitenbuch, 5. Aufl., Göttingen 2003, S.

d vgl. Eröffnung der Form 3 der Predigtversammlung im Gesangbuch der Evangelischen Brüdergemeine, 2. Aufl. Hamburg 1982, Anhang S. 129

e vgl. Tägliches Fürbittengebet Zinzendorfs nach: A. Ringwald, Bete mit, Stuutgart 1960, S. 110

f vgl. im Anhang nach www.heiligenlexikon.de : von Zinzendorf, Nikolaus;

www.elk-wü.de - Gedenktage 2010 (v. Zinzendorf);

  J.Erb, Die Wolke der Zeugen, Bd. 1, Kassel 1951, S. 347 - 353 ;

A. Ringwald, Menschen vor Gott, Bd. I, Stuttgart 1957, S.294 f. ; 

H. Achterberg, Zeugen des Evangeliums, Moers 1987, S. 289

sowie aktuelle Veröffentlichungen   

g vgl. Eingang 1  der Kirchenlitaney in: Liturgische Gesänge der evangelischen Brüdergemeinen, Gnadau 1823, S. 7.8

h vgl. Kirchenlitaney in: Liturgische Gesänge der evangelischen Brüdergemeinen, Gnadau 1823, S. 18-28 und Kirchenlitanei im Gesangbuch der Evangelischen Brüdergemeine, 2. Aufl. Hamburg 1982, Anhang S. 120 - 125 - gekürzt -

Der Sprachstil wurde oft übernommen als charakteristisch für Frömmigkeit und  Lebenshaltung 

i vgl.  Kirchenlitanei im Gesangbuch der Evangelischen Brüdergemeine, 2. Aufl. Hamburg 1982, Anhang S. 126

k vgl. www.heiligenlexikon.de : von Zinzendorf, Nikolaus